Windpark "Alpha Ventus", Quelle: Siemens |
Die Energiewende schreitet voran
Fast zwei
Wochen ist es her, da gab Eon bekannt, zukünftig nur noch Strom aus
erneuerbaren Energiequellen erzeugen zu wollen. Das Geschäft mit
Kernkraft, Kohle und Gas soll in eine neue Gesellschaft ausgegliedert
und nach und nach abgewickelt werden. Einer der größten
Energiekonzerne Europas setzt damit die von der Politik geforderte
„Energiewende“ konsequent um: Zukünftig keine fossilen
Energieträger mehr nutzen, dafür Sonne, Wind, Bio- und Geothermie.
Heute machen „Erneuerbare“ 25% der Stromversorgung Deutschlands
aus. Bis 2050 – in rund 35 Jahren – soll Deutschlands
Stromversorgung zu 80% mit „Erneuerbaren“ gedeckt werden.
Strategischer Vorteil durch Energiewende?
Die
Politik feiert die Energiewende nicht nur als Sieg für die Umwelt.
Deutschland gewinne mit der Energiewende auch einen strategischen
Vorteil: Weil Deutschland in Zukunft kaum noch von fossilen
Brennstoffen – Kohle, Öl und Gas – abhängig sein soll, fiele
für fremde Mächte Erpressungspotential weg. Die Energiewende bringe
Energie-Autarkie, wenn nicht für Deutschland, zumindest für Europa
und seinem Energiebinnenmarkt. Um strategische Auseinandersetzung um
unsere Energieversorgung bräuchten wir uns in Zukunft weitaus
weniger Sorgen machen, so die Folgerung. Russlands Gas und das Öl
des Mittleren Ostens soll uns egal werden. Damit müssten wir in
Zukunft auch weniger Rücksicht auf die Interessen der Länder legen,
die Öl und Gas fördern. Heimischer Strom ersetzt Strom aus Öl und
Gas fremder Länder. Soweit die behauptete Logik für
sicherheitspolitische Vorteile der Energiewende. Doch stimmt diese
Logik? Folgt aus der Erzeugung des Stroms im eigenen Land, dass man
das Energiethema als „heißes“ Thema der Sicherheitspolitik
„abkühlen“ kann?
Zukünftig
soll Energie in Deutschland dezentraler erzeugt werden. Allein bis
2012 wurden über 1,2 Mio. Solaranlagen auf den Dächern der
Deutschen montiert.
Jeder Haushalt kann zum Kraftwerk werden. Kleine Bio- und
Geothermie-Anlagen erzeugen ebenfalls regional Energie. Abgesehen von
den elektrotechnischen Problemen, die sich durch die vermehrte
dezentrale Einspeisung ergeben, mutet die Dezentralisierung wirklich
als Schritt zu einer auch im Konfliktfall sicheren Energieversorgung
an. Früher hing die Energieversorgung an einigen wenigen großen
Kraftwerken. Wurden die im Konfliktfall bombardiert und zerstört,
hatte man ein Problem. Zukünftig, so könnte man sich vorstellen,
müsste man nun tausende Windkrafträder umknicken, um den gleichen
Effekt zu erreichen – praktisch unmöglich. Oder doch nicht?
Offshore-Windparks: ungeschützt und angreifbar
Windkraft
lässt sich auf See besser nutzen als an Land. Entsprechend sind die
Windkraftanlagen, die fern der Küste, also „off shore“ entstehen
große Hoffnungsträger der Energiewende. Doch wie verwundbar sind
sie? Schiffe, besonders Segler, geraten schon jetzt aus Versehen in
die Windparks. Die Verirrten müssen äußerst vorsichtig
manövrieren, um eine Kollision mit den Stahlpfeilern zu vermeiden,
die so dick sind, wie ihr Segelschiff lang ist. Aber was, wenn eine
Kollision absichtlich geschieht? Mit einem alten Kutter voller
Sprengstoff? Die Schifffahrtswege der Nordsee sind nur ein paar Minuten entfernt von den Anlagen. Schnell kann ein Schiff aus dem
Berufsverkehr ausscheren. Zum nächsten Windpark sind es nur ein paar
Minuten. Ein solchermaßen entschlossenes Schiff ist praktisch nicht
zu stoppen.
Die geplanten und gebauten Offshore-Windparks in der deutschen AWZ, Quelle: BSH |
Im
Zeitalter der Holzschiffe beugte man Brander-Angriffen vor, in dem
man die Bucht oder den Hafen mit Tauen abspannte. Auf diese Weise
erschwerte man die Annäherung. Wie aber soll das mitten in der
Nordsee aussehen? Die Windparks sind zu allen Seiten offen, sie haben
keinen schmalen Flaschenhals, wie so viele Häfen, den man versperren
könnte. Die Schifffahrtsrouten in der Ostsee durchschneiden die
Windparks. Wer nicht genau auf seinen Kurs achtet, landet schon aus
Versehen mitten in einem Wald aus Stahlriesen und muss sehen, wie er
da unbeschadet wieder herausfindet.
Es ist
also für eine entschlossene feindliche Macht sehr leicht, in die
Windparks zu kommen. Per Definition liegen Offshore-Anlagen fern ab
der Küste, weit jenseits der 12-Meilen-Zone. Sie sind daher
militärisch schwer zu schützen, aber leicht zu attackieren.
Billige Schläge ohne Zivilisten zu gefährden
Wenn sich
nun eine feindliche Macht für einen Angriff entschließt, wie könnte
sie den maximalen Schaden erzielen? Ein explodierendes Boot aufs
Geratewohl in ein Windpark zu schicken, wäre nicht effizient. Die
Windräder stehen um die 500 Meter weit auseinander. Die Explosion
könnte ein oder zwei Windräder zerstören, die Wrackteile könnten
im Umkreis vielleicht drei bis vier weitere beschädigen. Aber so ein
Windpark hat meist um die 80 Windkrafträder. Ein Boot mit
Sprengstoff gegen die Windkrafträder selbst zu schicken, ist also
nicht effizient.
Ein
effizienterer Angriff wäre ein Anschlag auf eine der
Umspannplattformen und Netzanbindungsstellen, sozusagen die
Knotenpunkte eines Windparks. Diese Plattformen sind weithin als
solche erkennbar. Ihre Koordinaten sind aus Gründen der
Verkehrssicherheit öffentlich zugänglich.
Ein „Brander“ mit GPS könnte im Autopilot leicht zu einer
entsprechenden Position gebracht werden. Oder ein feindliches
Kriegsschiff könnte, in der Nordsee liegend, die Knotenpunkte unter
Beschuss nehmen. Denkbar wäre auch eine Unterbrechung der Seekabel
am Meeresgrund, etwa durch Taucher.
Konverterplattform, Quelle: Offshore-Stiftung |
Das
Ausschalten der Offshore-Anlagen würde Deutschland einer
Energiequelle berauben. Und anders als die Bombardierung eines
konventionellen Kohlekraftwerks oder gar eines Atomkraftwerks, gäbe
es höchstwahrscheinlich keine zivilen Opfer zu beklagen, wenn nicht
gerade eine Wartungsmannschaft im Schussfeld steht. Eine feindliche
Macht könnte, ohne Zivilisten zu töten, eine Energiequelle
ausschalten. Das senkt die moralischen und politischen Kosten in
einem Konflikt. Schnell ist ein Teil der Stromerzeugung Deutschlands
ausgeschaltet, ohne dass ein Deutscher sein Leben lassen musste. Das
macht einen Angriff auf die Offshore-Anlage zu einem geeigneten
Druckmittel in einem sich verschärfenden, aber noch nicht
gewaltvollen Konflikt.
Doch wie
weh würde Deutschland ein solcher Angriff auf die Offshore-Anlagen
tun? Welchen Schaden könnte solch ein Angriff ausrichten, abgesehen
vom wirtschaftlichen Schaden? Wie groß wäre die Einbuße an
Stromerzeugungskapazitäten? Den zweiten Teil der Überlegung finden Sie hier an gleicher Stelle, zur gleichen Zeit, am Freitag, den 12.12.!
Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.
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