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"Meer.Für.Dich" - Ein ansprechender Auftritt? |
Mit den Deutschen und ihrer Bundeswehr ist das immer so eine
Sache. Die gegenüber Streitkräften grundsätzlich kritische Haltung ergibt sich
aus der Deutschen Geschichte und mag nachvollziehbar erscheinen. Dennoch stellt sich die
Frage, warum sie sich so schwer tun, die Deutschen, mit ihrer Parlamentsarmee,
die als Ausdruck einer wehrhaften Demokratie auch im 21. Jahrhundert zur
Wahrung des Friedens eingesetzt wird. Oder begründet sich das fortlaufend kritische,
öffentliche Bild der Bundeswehr auch ein Stück weit damit, wie sich die Streitkräfte
der Öffentlichkeit selbst präsentieren?
Tue Gutes und rede
darüber
Tue Gutes und rede darüber. Was im PR- und Werbegeschäft
gilt, gilt grundsätzlich auch für Streitkräfte. Der Wert zielgruppenorientierter
Kommunikation kann im digitalen Zeitalter nicht oft genug betont werden.
Gerade, wenn ein Arbeitgeber wie die Bundeswehr sich nicht zuletzt auch durch
die Wehrpflichtsreform strukturell tiefgreifenden Einschnitten gegenüber sieht.
Erst kürzlich betonte Dr. Jann-Markus Witt vom Deutschen Marinebund gegenüber
Studenten der CAU-Kiel, dass mit dem Aussetzen der Wehrpflicht die Qualität
derjenigen, die sich letzten Endes für eine Offizierlaufbahn entschieden, deutlich
zurückgegangen sei. „Nimm was du kriegen kannst“, als Rekrutierungsmaxime für
die nationale Sicherheit? Mitnichten. Grund genug daher, einmal genauer
hinzusehen, wie es um die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Streitkräfte
allgemein, und um die der Deutschen Marine insbesondere bestellt ist.
Gefällt mir nicht.
Wer von zielgruppenorientierter Kommunikation spricht, kommt
gerade im Bezug auf die Generierung von Nachwuchs an Facebook als
Kommunikationsmedium nicht vorbei. Das soziale Netzwerk hat sich längst als
feste Größe innerhalb der Außendarstellung von öffentlichen Akteuren etabliert.
Von den 27,
39 Millionen Deutschen Facebook-Nutzern zählen laut einer Erhebung des
Statistikportals „Statista“ von 2014 rund 35,8%
zur für die Bundeswehr relevanten Zielgruppe der unter 25-Jährigen. Das macht
immerhin gut 9,8 Millionen potentielle Rekrutinnen und Rekruten für Bundeswehr
und damit auch für die Marine. Neunmillionenachthundertausend ist eine große
Zahl, welche exemplarisch die Relevanz des Mediums Facebook verdeutlicht. Ein Umstand,
dem sich auch die Bundeswehr nicht verschließen kann. „Fun Fact“ in diesem
Zusammenhang: Der aktuelle Jahresbericht
der Jugendoffiziere, der mit dem Statement „Jugendoffiziere sind wichtige
Träger der Öffentlichkeitsarbeit“ eingeleitet wird, enthält genau einen (in
Zahlen 1) inhaltlichen Verweis auf soziale Netze. Facebook kommt inhaltlich
somit für die Bundeswehr nicht vor.
Wir. Dienen.
Deutschland.
Darum lohnt ein genauerer Blick in besagtes Portal, um sich
ein Bild der entsprechenden Facebook-Seite der Bundeswehr bzw. der Marine zu
machen. Am heutigen Tag, den 09.12.2014 um 12:00 Uhr haben die Seite der Bundeswehr
313.098 Menschen mit „Gefällt mir“ markiert, sprich „geliked“, das ist ein
veritabler Wert. In diesem Zusammenhang wichtig ist der Verweis darauf, dass es
sich bei der Bundeswehr-Seite um eine aktiv verwaltete, d.h. mit tagesaktuellen
Inhalten gepflegte Seite handelt, wie sie auch von Unternehmen oder anderen
Akteuren des öffentlichen Lebens geführt wird. Sie bietet eine quasi
barrierefreie Kommunikation zwischen Sender und Empfänger. Die Seite
der Deutschen Marine hingegen hat zur selben Zeit 14.216 „likes“ und ist im
Gegensatz zur Bundeswehr-Seite nicht aktiv geführt. Bis auf einen kurzen
Informationstext à la Wikipedia und einem Bild des Eisernen Kreuzes ist hier nicht
viel los.
Bananen-Republik?
Wer daraus folgert, die Marine würde nichts für ihre
öffentliche Wahrnehmung tun, der irrt. Im Juli letzten Jahres wurde ein Video
mit dem unbeholfen wirkenden Titel „Marine Trailer Bananen“ (das Ding heißt wirklich so) auf dem
Videoportal „Youtube“ online gestellt. Dort zu sehen gibt es neben einigen Binsenwahrheiten und Schüssen ins leere wenig werbewirksames. Unterlegt mit einem billigen
Midi-Sample beschleicht den Betrachter beim Genuss dieser PR-Maßnahme ein eher
merkwürdiges Gefühl zwischen Verwunderung und Ärger. Ist das die
Art und Weise, wie sich die Marine im 21. Jahrhundert präsentieren möchte? Die
Kosten für Werbemaßnahmen der Bundeswehr, wie etwa das Handelsblatt
berichtete, haben sich zwischen 2011 und 2012 mehr als verdoppelt. Aus dem jährlichen
Werbeetat von über 20 Millionen Euro wurde unter Anderem die Anschaffung eines
Info-Trucks finanziert, der sich nun auf Provinzjahrmärkten ein Stelldichein
mit Autoscooter, Zuckerwatte und co. gibt. Mehr als „Marine Trailer Bananen“ war
da nicht drin, liebe Marine?
Subjektiv fragwürdig,
objektiv im Soll?
Das Problem mit Formulierungen wie den hier getätigten ist
stets, dass eine intersubjektive Überprüfbarkeit ob des subjektiven Empfindens
von künstlerischen Maßnahmen nicht wirklich gegeben ist. Oder zu Deutsch: Über
Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. An dieser Stelle hilft eine
empirische Analyse, welche die Performance von Facebook-Likes europäischer
Marinen unter der Berücksichtigung relevanter, unabhängiger Variablen wie Streitkräfteumfang,
Population, Rüstungsausgaben und Küstenlinienlänge berücksichtigt. Eine
Dummy-Variable kontrolliert für den Effekt aktiver oder passiver
Seitenadministration. Die Ergebnisse der "Ordinary Least Squares" (OLS) Regression sind der nachfolgenden
Tabelle zu entnehmen.
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Ergebnis der OLS-Regression |
Es lässt sich festhalten, dass einzig die Variablen NAVFOR
(Truppenstärke der Teilstreitkraft Marine), TROOP (Truppenstärke absolut) und
EXPEND (Staatsausgaben für Verteidigung) einen signifikanten Beitrag zur Aussagekraft
des Modells leisten. Mit einem R² von 0.79838 erklärt das vorliegende Modell -
so die Theorie - 79% der vorhandenen Varianz. Interessant ist auch, dass die
Dummy-Variable NAV_ACTIVE (Aktive/Passive Seitenführung) nicht signifikant ist.
Das in Facebook-Likes gemessene Interesse an europäischen Marinen scheint folglich
also mehr über die relative und absolute Truppenstärke, als auch über die
Staatsausgaben für Streitkräfte zu entstehen, als über eine aktiv oder passiv
geführte Seite. Schande über mein Haupt. Also doch alles gar nicht so schlimm?
Was will die
Bundeswehr?
Mitnichten. Das vorliegende Modell kann keinen Anspruch auf
umfassende Aussagekraft erheben. Die Datendichte ist eigentlich zu gering, um
eine handfeste Schlussfolgerung ziehen zu können. Dennoch führt eine Analyse
der entsprechenden Daten exemplarisch vor Augen, dass das Verhältnis empirischer
Werte wie Truppenstärke, Rüstungsausgaben und Social Media Aktivität starken
Schwankungen unterworfen ist. Im Europäischen Vergleich sticht das altbackene
Erscheinungsbild des öffentlichen Auftritts der Bundeswehr / Marine dennoch hervor, Subjektivität hin oder her. Die abschließende Frage muss also lauten: Was will
die Bundeswehr mir ihrer Öffentlichkeitsarbeit erreichen? Glaubt man an die
Ausdruckskraft von nach Außen gerichteter Kommunikation, so ist die Bundeswehr
meilenweit von dem entfernt, was Ministerin von der Leyen öffentlich
proklamiert, nämlich ein Arbeitgeber auf der Höhe der Zeit zu sein. Aber auch
das ist natürlich Gefühlssache.
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Die Royal Navy macht's vor. "Protecting Our Nations Interest's" statt "Meer.Für.Dich" |
Bendix Hügelmann, B.A., ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, sowie Mitarbeiter am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Seine Studien- und Forschungsschwerpunkte bilden politische Ökonomie, Globalisierungs- und Nachhaltigkeitsstudien sowie Seerecht und Maritime Sicherheit.
Ebenfalls lesenswert: Thomas Wiegolds Beitrag zum Journalismus, Militär und Krieg im digitalen Zeitalter, genauso wie www.bendler-blog.de, ein Blog zur sicherheitspolitischen Kommunikation.
AntwortenLöschenhttp://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/bY4xD4IwFIR_ES04iRuExDiqg-JCSnmWF0ofaR-w-ONtBzfvklvuvuTkS0Y7taFRjOSUlU_Zajz1u-jnzYiAegQ_AnJYyCLjJJQz0BOD8KAG8N2fySEzEMDaoEf1ZpsGGTjeUU92jbgTBBM5mjEkttuVG8DKRzozgNDkgFNyhDCm8YrJi4U829Ss3sdG4CDbvGjqvMh_Kj7l_dxcq7I4Npf6Jpd5rr6RN7Fj/