Posts mit dem Label 21. Jahrhundert werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label 21. Jahrhundert werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Freitag, 2. Januar 2015

Räume für Titanen aus Stahl - Offshore-Förderplattformen als Ursachen für Konflikte

Sie wiegen Zehntausende und kosten Milliarden. Offshore Bohrinseln sind Städte, die nicht auf dem Territorium eines Landes stehen. Auf ihnen leben Menschen und von ihnen leben Menschen. Seit sechzig Jahren bringen sie für unsere Zivilisation Öl und Gas – Energie. Bild: Oilguru
 Riesen aus Stahl. Beine, so dick wie ein Haus und so lang wie die höchsten Wolkenkratzer. Ein Körper, durchzogen von Rohren und Kabeln mit nur einem Zweck: Öl aus Tiefen zu fördern, die einen Menschen schon hundertfach zerquetscht hätten, bevor er zu ihnen gelangt wäre: Offshore Bohrinseln. Es sind Titanen, die unsere Zivilisation tragen, indem sie uns mit Öl, Gas und bald auch Metallen versorgen. Und die neusten Titanen kosten Hundertsechzigtausend Dollar – jeden Tag.
Hunderte Menschen leben auf ihnen: Handwerker, Ingenieure, Köche und die, die die Wäsche machen für die Handwerker, Ingenieure und Köche. Es sind kleine Städte auf dem Meer. Und das Meer ist ein lebensbedrohlicher Ort. Seit Menschen Offshore nach Öl und Gas bohren, fürchten sie Stürme und technische Fehler. Doch nach und nach gewinnt der Mensch mit neuer Technik den Kampf gegen die Kräfte der Natur. Heute sind Offshore Plattformen vor den Naturgewalten weitesgehend sicher und die Natur muss ihrerseits Fehler der Betreiber ausbaden. 2010 führte ein Defekt an der Plattform Deepwater Horizon zur größten Ölverschmutzung derGeschichte.
Für den Bürger an Land war die Deepwater Horizon Katastrophe auch die letzte und einzige Geschichte, die er über Offshore-Förderanlagen mitbekommen hat. Die Plattformen waren schon länger sturmfest geworden, es gab nichts anderes von Besonderheit im regelmäßigen Geschäft auf hoher See, bis 2010 die Katastrophe kam.
Der Kampf gegen die See ist weitesgehend gewonnen. Aber der Kampf um die See und um die besten Plätze für die Offshore Plattformen hat begonnen. Im Frühjahr letzten Jahres sendete China zwei seiner schlagkräftigsten Kriegsschiffe, die Kunlunshan und die Jinggangshan in das Südchinesische Meer, vor die vietnamesische Küste. Sie sollten eine Ölplattform schützen, die China dort platzieren wollte.  An Weihnachten gab Israel bekannt, dass es vier Fregatten anschaffen will, die eingesetzt werden sollen, um Israels Offshore Plattformen im Mittelmeer zu schützen. Zu diesem Zweck patrouillieren seit 2012 große Teile der israelischen Marine dort. Kanada baut entgegen aller Klischees über seinen friedliebenden Nationalcharakter eine Marine auf, die in der Arktis kanadische Ansprüche vor alle gegen Russland verteidigen soll, das seinerseits Teile seines Militärs in die nördlichsten Bereiche seines Landes verlegt.
Das zeigt: Industrialisierte Staaten sehen den bewaffneten Kampf um Ressourcen auf hoher See als realistische Zukunft und wollen darauf vorbereitet sein. Längst sehen sie nicht mehr nur Terroristen als Gefahr für die maritime Sicherheit, sondern andere Staaten. Israel fürchtet Angriffe der Marinen seiner Nachbarstaaten auf seine Energieversorgung. China will seine Ansprüche gegen alle anderen asiatischen Staaten durchsetzen: Japan im Osten und Vietnam, Korea, Malaysia, die Philippinen aber auch Indonesien im Süden. Die berühmt-berüchtigte Neun-Punkte-Linie Chinas überlagert sich hier mit den Anspruchszonen, die durch das UN-Seerechtsabkommen von 1982 festgelegt worden waren. Noch ist der Arktische Rat offiziell optimistisch, dass sie die Arktis friedlich aufteilen können.
Auf dem ganzen Erdball führt die Knappheit der Rohstoffe dazu, dass die Staaten auf hohe See schauen, um die Versorgung ihrer Zivilisation mit Wärme, Transportmitteln und allerlei elektronischen Gerätschaften sicherzustellen. Ein Blick auf den Globus und eine Linien, die man zweihundert Meilen von jeder Landmasse zieht, zeigen die Sphären der Wirtschaftsinteressen der Küstenstaaten. Jede kleine Insel löst eine zweihundert Meilen Zone aus. In diese Zone mindestens können die Staaten ihre staatliche Souveränität ausweiten wollen.
"The whole issue of 'economic waters' actually triples the size of Israel, but also creates strategic threats not only concerning the rigs and those working there, but also a threat to Israel's energy supply," said a senior naval officer. "A possible strike against the rigs is a nightmare scenario." Zitat: Haaretz 9. Jan. 2012; Bild: Rigzone.com
Das 21. Jahrhundert wird mit wirtschaftlicher Prosperität einhergehend erleben, wie Staaten ihre Territorial verankerte Souveränität auf Bereiche der hohen See übertragen wollen. Kann das Völkerrecht Schritt halten?
Die Gründe für Konflikte verstärken sich. Bald ist es nicht nur Öl und Gas, das Offshore gefördert wird: auch Metalle verbergen sich in den Tiefen der Meere - und alle wollen ein Stück vom Kuchen. Aber gleichzeitig verstärken sich auch die Gründe für eine friedliche Belegung der Konflikte: So eine Offshore Plattform mit all der dazugehörigen Infrastruktur wird Milliarden von Dollar kosten. Zusätzlich kommt der durch die gewonnenen Rohstoffe riskierte Nutzen für die Volkswirtschaft. Wenn alle Staaten solche Plattformen besitzen, sollten sie sich gegenseitig nicht die Risikokosten erhöhen wollen. Logisch wäre daher eine friedliche Einigung zum Nutzen aller Beteiligter. Aber irrationales Verhalten kann diese Rechnung immer stören. Und ein Staat, der keine Offshore Plattformen hat, hat auch nichts zu verlieren, und alles zu gewinnen, wenn er die Arterie der Wirtschaft seines Gegners auf hoher See kappen kann.
Die Konflikte auf hoher See werden zunehmen, während die Staaten ihre Interessensphären gegeneinander abzugrenzen versuchen. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob die Vermehrung der Offshore Anlagen als Katalysator für die Entwicklung des Völkerrechts dienen kann. Milliarden-Dollar Investments und die Versorgungssicherheit der Weltwirtschaft sollte als Interesse Vorrang haben vor nationalistischen Kurzsichtigkeiten und so den Frieden auf See bewahren.
Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.

Mittwoch, 24. Dezember 2014

Gibt´s da auch was von Ratiopharm? Ja, Aspirin der Anden - Illegaler Drogenhandel über deutsche Häfen

Am 14. Dezember 2014 entdeckte das Hauptzollamt Hamburg Hafen in einem Bananencontainer aus Ecuador einem Schiff aus Kolumbien mehre Pakete mit insgesamt 66 Kilogramm Kokain. Schätzungen zufolge hat das Rauschgift einen Straßenwert von etwa 4,3 MillionenEuro. Doch dieser Fund ist keine Einzelheit und zeigt, dass viele Drogen über den Seeweg nach Deutschland und die EU gelangen oder von hier weitertransportiert werden.

Allein im Hamburger Hafen wurden im Jahr 2013 139 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen, davon über 9 Millionen 20-Fuß-Container. Diese Mengen sind enorm schwer auf illegale Waren zu kontrollieren. Illegale Waffen, Sprengstoff oder Drogen stellen dabei eine große Gefahr dar. Bekanntermaßen werden 90% des weltweiten Warenverkehrs über den Seeweg abgewickelt. Mit den legalen Waren kommen auch die illegalen Waren über die Meere nach Deutschland. Die Häfen in Deutschland sind dabei das zu passierende „Gate“, um die Ware ins Land zu schmuggeln bzw. über Deutschland weiter zu transportieren.

Kokain in Bananenkisten geschmuggelt
(http://img.morgenpost.de/img/vermischtes/crop123638482/7470747364-ci3x2l-w460/Kokainfund-bei-Discounter.jpg)

Um diesem Problem effektiv begegnen zu können, müssen Kontrollen durchgeführt, vorab Informationen über die Waren eingeholt und weitere Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden. Dabei stellt sich ein großes Problem heraus. Um zu verhindern, dass die oben angesprochenen illegalen Waren nach Deutschland gelangen müssten alleine in Hamburg (sowie in anderen deutschen Häfen auch) angesichts der Großen Gütermengen umfangreiche Maßnahmen ergriffen werden. Da aber auf der anderen Seite 90% des Warenverkehrs über See verschifft werden und im Logistikbereich bekanntermaßen Zeit Geld ist, treffen hier die Sicherheitsinteressen Deutschlands und der EU auf wirtschaftliche Interessen der Spediteure und letztlich des gesamten Marktes. Drogen sind damit nicht nur eine Gefahr für die Bevölkerung, sondern gleichermaßen für die Wirtschaft, wenn das Aufspüren von illegalen Waren den Handel behindert.

Ein Ansatz um diesem Interessenkonflikt vorzubeugen könnten Programme wie die berührungslose Inspektion im Hafen-Terminal (ECSIT) sein. Dabei werden die Container nicht geöffnete, was relativ viel Zeit in Anspruch nimmt, sondern mit moderner Technik durchleuchtet und auf Gefahrengut durchsucht. Solche Ansätze dienen der schnellen Abwicklung des Handels, sowohl bei Containern, die in Deutschland gelöscht werden, als auch solche die nur zum Zwischenhandel in deutschen Häfen verweilen. Auf EU-Ebene gibt es Ansätze wie das Authorised Economic Operator concept“ (AEO), welches Händler dazu auffordert dem Zoll umfangreicher Informationen über ihre Waren, die in die EU gebracht werden, zu geben. Diese Maßnahmen sind zwar primär zur Abwehr von terroristischen Angriffen gedacht, unterstützen aber auch den Kampf gegen den internationalen Drogenschmuggel. Moderne IT-Programme sollen das AEO-Konzept zusätzlich unterstützen, um eine bessere Koordination der Zollbeamten der EU und Drittstaaten zu gewährleisten.

Wie die meisten maritimen Bedrohungen kann auch die des illegalen Drogenschmuggels nicht alleine auf See bzw. an den Häfen bekämpft werden. Es müssen umfassende Maßnahmen in den Ländern ergriffen werden, in denen die Drogen angebaut bzw. hergestellt werden. Ebenso müssen Anstrengungen in jenen Ländern ergriffen werden, in die die Drogen importiert werden. Solcher Ansätze sind in der EU-Drogenstrategie (2013-2020) beschritten worden. Dort wird betont, dass es sich bei dem „Drogenphänomenum ein globales Problem handelt. Es müssten ferner koordinative Maßnahmen ergriffen werden, um das Drogenproblem innerhalb und außerhalb der EU zu bekämpfen. Ziele der EU-Drogenstrategie sind dabei u.a. eine Reduzierung der Drogennachfrage, die Zerschlagung von illegalen Drogenmärkten, global und auf EU-Ebene die Koordination der Bekämpfung illegaler Drogen verbessern und dabei auch mit Drittstaaten und int. Organisationen zusammenarbeiten und schließlich eine verbesserte Überwachung und Forschung über Drogenhandel vorantreiben. Auch das Auswärtige Amt betont ähnliche Vorhaben, die Nachfrage in Deutschland zu senken und Kooperationen in Ländern wie Afghanistan, den Andenstaaten und Westafrika voranzutreiben.


Maßnahmen die den Drogenhandel schon am Ursprung bekämpfen sind ungemein wichtig, da dieser nicht erst an deutschen Häfen bekämpft werden kann. Hier werden zwar immer wieder Drogen entdeckt, doch die tatsächliche Menge, der nicht entdeckten Rauschmittel lässt sich nur schätzen. Mittlerweile hat sich der Drogenhandel über die Weltmeere verbreitet (siehe Graphik), so dass die Kontrollen in den deutschen Häfen nur ein kleiner Teil einer umfassenden Strategie sein können, um den illegalen Drogenhandel zu unterbinden. Ein Beleg dafür ist beispielsweise, dass zunehmend Kokain aus Südamerika über den Lufttransport nach Deutschland gelangt. Im Jahr 2013 wurden am Flughafen Frankfurt/Main mehrere Pakete Luftpost sichergestellt, in denen Kokain enthalten war und die für den Weiterversand in andere Länder bestimmt waren. Sollte der Drogenschmuggel nur in den Häfen und auf See bekämpft werden, werde sich die Drogen einen anderen Weg in die EU oder nach Deutschland bahnen. 

Der Weg von Kokain von Südamerika in die EU und USA
(https://bretterblog.files.wordpress.com/2012/08/drug-trafficing.png%3Fw%3D450%26h%3D278)

Daraus resultiert, dass maritime Probleme, besonders dass des Drogenschmuggels, keinesfalls allein auf dem Meer oder den Häfen bekämpft werden können. Eine Großangelegte Strategie ist hier die einzige Möglichkeit, den Krieg gegen die Drogen nicht zu verlieren. Es bedarf einer nachhaltigen Lösung, um das Problem effektiv zu bekämpfen. Dabei müssen maritime Aspekte genauso berücksichtigt werden, wie Entwicklungs- und Aufklärungshilfe und eine nachhaltige Politik. Außerdem sollten weiterhin Maßnahmen und Kooperationen zwischen EU-Staaten und Drittländern vorangetrieben werden, die dem Schutz der Bevölkerung vor illegalen Drogen, die über die Meere transportiert worden sind, bieten. Ein ganzheitlicher Ansatz maritimer Sicherheit, der mit einem weitem Sicherheitsbegriff verkoppelt ist, muss hier das Fundament einer Strategie gegen den illegalen Drogenhandel bieten.


Max Hagen ist Student im Master Internationale Politik und internationales Recht an der CAU Kiel. Interessenschwerpunkte sind umwelt- und energiepolitische Themen, wie energetische Versorgungssicherheit oder die deutsche Energiewende im Fokus der Öffentlichkeit.

Freitag, 12. Dezember 2014

Offshore-Windparks – Gefährlich exponiert? Teil 2/2: Das Risiko

In Teil 1 dieser Überlegung wurde eine Bedrohung der Offshore-Windparks plausibel gemacht. In Teil 2 wird überlegt, wie schwer ein solcher Schlag einer feindlichen Macht Deutschland treffen würde.
 
Wie weh würde Deutschland ein solcher Angriff auf die Offshore-Anlagen tun? Welchen Schaden könnte solch ein Angriff ausrichten, abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden? Wie groß wäre die Einbuße an Stromerzeugungskapazitäten? In 2015 wäre die Einbuße noch minimal. Zurzeit befinden sich fast alle Offshore-Anlagen im Bau oder in der Planung. Einer der wenigen bereits fertig gestellten Windparks „BARD Offshore 1“ erzeugt unter Volllast eine Leistung von 400 MW. Zum Vergleich: Die leistungsstärksten, noch betriebenen, deutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Brokdorf erzeugen jeweils rund 1400 MW. Die aber rund um die Uhr.
Offshore-Windpark Kapazitäten, Quelle: Offshore-Stiftung

Ein Windrad kann nicht Strom erzeugen, wenn zu viel oder wenn zu wenig Wind weht. Dennoch sind die Stunden, die ein Windrad unter Volllast arbeiten kann auf hoher See weitaus höher als für Windräder an Land. Derzeit liegt die Zahl der Volllaststunden für Offshore-Windräder bei rund 4000 Stunden pro Jahr.

Stellen wir eine Rechnung an. Sind die Windparks fertiggestellt, soll in der deutschen Nordsee 3500 MW Leistung erzeugt werden können. Wie groß ist der zukünftige Anteil der Offshore-Windenergie in der Nordsee an der zukünftigen Gesamtstromerzeugung in Deutschland? Dieser Anteil wäre gute Zahl, um das sicherheitspolitische Risiko der Offshore Windenergie zu bewerten. Wird der Anteil hoch sein, wird auch das Risiko hoch sein. Denn wie festgestellt, wird es recht einfach sein, die Anlagen anzugreifen.

Die Energiewende wird vorangetrieben. Jede nutzbare Fläche der deutschen Außenwirtschaftszone in der Nordsee soll bebaut werden. Die angepeilte Gesamtleistung der Offshore-Windparks in der Nordsee soll rund 3500 MW betragen, oder 3,5 GW. Würde durch koordinierte Angriffe auf die Knotenpunkte der Windparks die gesamte Leistung ausfallen, welche Einbuße an Stromerzeugungskapazitäten muss Deutschland dann bewältigen?

Kaum Auswirkungen, selbst bei Totalausfall


Wir wollen die Rechnung überschlagsartig anstellen und vor allem unabhängig von der Diskussion, ob die Energiewende praktisch bis 2050 durchzusetzen ist – unter der Annahme also, dass alle gravierenden technischen und ökonomischen Schwierigkeiten bewältigt werden. Die Bundesregierung veranschlagt für 2008 einen Stromverbrauch von 25% unter dem Niveau von 2008. 2008 „verbauchte“ Deutschland ca. 617 Mrd. kWh, 2050 soll es folglich 463 Mrd. kWh benötigen. 463 Mrd. kWh müssen also 2050 auch mindestens erzeugt werden, um den „Verbrauch“ zu decken.

Rechnen wir nun aus, wie viel die ausgebauten Windparks mindestens erzeugen werden. Sind alle Parks errichtet und angeschlossen, sollen sie unter Volllast 3500 MW erzeugen. Bei 4000 Stunden Volllastbetrieb im Jahr macht das 14 Mrd. kWh. Nehmen wir zusätzlich noch an, dass die restlichen Stunden im Jahr durchschnittlich die Hälfte davon erzeugt werden kann, aufgrund von schwächerem oder zu starkem Wind. Nehmen wir also noch 7 Mrd. kWh hinzu. Nach dieser konservativen Überschlagsrechnung könnten die errichteten Windparks rund 21 Mrd. kWh im Jahr erzeugen.

Windrad, Quelle: Siemens
Nehmen wir die Zahlen zusammen: Der anvisierte Stromverbrauch 2050 sei 463 Mrd. kWh. 21 Mrd. kWh könnten durch alle geplanten Windräder in der deutschen Außenwirtschaftszone erzeugt werden. Die Offshore-Windkraftanlagen werden nach dieser hier angestellten Rechnung also rund 5% des deutschen Stromverbrauchs decken. 5% sieht nicht sonderlich dramatisch aus.

Einen Ausfall von 5% der deutschen Energieversorgung bei Totalausfall der Offshore-Windenergie dürfte Deutschland im Konfliktfall verkraften können. Sicherlich, der Ausfall von einem Stromerzeugungsäquivalent von zweieinhalb Kernkraftwerken wird etwas unangenehm sein, doch ist es nichts, was die Stromversorgung Deutschlands in die Knie zwingen würde.

Eine Attacke auf die Offshore-Windkraftanlagen wird sicherheitspolitisch nicht dramatisch sein. Der höchstmöglich anzunehmende Beitrag des Offshore-Windstroms zur Stromversorgung Deutschlands 2050 wird bei 5% liegen. Ein Ausfall dieser 5% wird zu verkraften sein. Der Ausfall von diesen 5% der Stromerzeugung muss im Konfliktfall auch verkraftet werden: ein wirksamer Schutz ist wegen des völkerrechtlich garantierten Rechts auf friedliche Durchfahrt auch nicht zu leisten.

Sicherheitspolitisch werden Offshore-Anlagen nach dieser Rechnung kaum eine Rolle spielen, weil sie energiepolitisch kaum eine Rolle spielen werden. Voraussichtlich werden die Anlagen zukünftig nur der Berufsschifffahrt, den Seglern, den Piloten und den Umweltschützern und dem Arbeitsschutz viel geben: Und zwar Anlass zum Ärger.

Eine modifizierte Rechnung – und doch ein großes Risiko?


Die Bundesregierung aber nimmt an, dass im Jahr 2050 Offshore-Windräder 25% der Stromerzeugung erbringen werden. Diese Annahme kann nur stimmen, wenn ein gewisser technologische Fortschritt vorausgesehen wird: Erstens müsste die Zahl der Volllaststunden stark steigen. Zweitens müsste der Wirkungsgrad der aufgestellten Räder stark erhöht werden. Sollte das tatsächlich passieren, steht Deutschland dann doch ein großes strategisches Risiko ins Haus. In ungefähr 35 Jahren könnten dann, wenn der Plan der Bundesegierung erfüllt wird, ein Viertel der deutschen Stromerzeugung auf hoher See stehen. Exponiert, ungeschützt, militärisch leicht und billig störbar.

Sind die Offshore-Windparks nun aus sicherheitspolitischer Sicht ein großes Risiko für Deutschland? Es wird stark davon abhängen, wie sich die Windkraft-Technologie entwickelt. Die Steigerung des Wirkungsgrads der Windräder gilt es zu beobachten.

Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Offshore-Windparks – Gefährlich exponiert? Teil 1/2: Die Bedrohung

Windpark "Alpha Ventus", Quelle: Siemens

Die Energiewende schreitet voran


Fast zwei Wochen ist es her, da gab Eon bekannt, zukünftig nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen zu wollen. Das Geschäft mit Kernkraft, Kohle und Gas soll in eine neue Gesellschaft ausgegliedert und nach und nach abgewickelt werden. Einer der größten Energiekonzerne Europas setzt damit die von der Politik geforderte „Energiewende“ konsequent um: Zukünftig keine fossilen Energieträger mehr nutzen, dafür Sonne, Wind, Bio- und Geothermie. Heute machen „Erneuerbare“ 25% der Stromversorgung Deutschlands aus. Bis 2050 – in rund 35 Jahren – soll Deutschlands Stromversorgung zu 80% mit „Erneuerbaren“ gedeckt werden.

Strategischer Vorteil durch Energiewende?


Die Politik feiert die Energiewende nicht nur als Sieg für die Umwelt. Deutschland gewinne mit der Energiewende auch einen strategischen Vorteil: Weil Deutschland in Zukunft kaum noch von fossilen Brennstoffen – Kohle, Öl und Gas – abhängig sein soll, fiele für fremde Mächte Erpressungspotential weg. Die Energiewende bringe Energie-Autarkie, wenn nicht für Deutschland, zumindest für Europa und seinem Energiebinnenmarkt. Um strategische Auseinandersetzung um unsere Energieversorgung bräuchten wir uns in Zukunft weitaus weniger Sorgen machen, so die Folgerung. Russlands Gas und das Öl des Mittleren Ostens soll uns egal werden. Damit müssten wir in Zukunft auch weniger Rücksicht auf die Interessen der Länder legen, die Öl und Gas fördern. Heimischer Strom ersetzt Strom aus Öl und Gas fremder Länder. Soweit die behauptete Logik für sicherheitspolitische Vorteile der Energiewende. Doch stimmt diese Logik? Folgt aus der Erzeugung des Stroms im eigenen Land, dass man das Energiethema als „heißes“ Thema der Sicherheitspolitik „abkühlen“ kann?

Zukünftig soll Energie in Deutschland dezentraler erzeugt werden. Allein bis 2012 wurden über 1,2 Mio. Solaranlagen auf den Dächern der Deutschen montiert. Jeder Haushalt kann zum Kraftwerk werden. Kleine Bio- und Geothermie-Anlagen erzeugen ebenfalls regional Energie. Abgesehen von den elektrotechnischen Problemen, die sich durch die vermehrte dezentrale Einspeisung ergeben, mutet die Dezentralisierung wirklich als Schritt zu einer auch im Konfliktfall sicheren Energieversorgung an. Früher hing die Energieversorgung an einigen wenigen großen Kraftwerken. Wurden die im Konfliktfall bombardiert und zerstört, hatte man ein Problem. Zukünftig, so könnte man sich vorstellen, müsste man nun tausende Windkrafträder umknicken, um den gleichen Effekt zu erreichen – praktisch unmöglich. Oder doch nicht?

Offshore-Windparks: ungeschützt und angreifbar


Windkraft lässt sich auf See besser nutzen als an Land. Entsprechend sind die Windkraftanlagen, die fern der Küste, also „off shore“ entstehen große Hoffnungsträger der Energiewende. Doch wie verwundbar sind sie? Schiffe, besonders Segler, geraten schon jetzt aus Versehen in die Windparks. Die Verirrten müssen äußerst vorsichtig manövrieren, um eine Kollision mit den Stahlpfeilern zu vermeiden, die so dick sind, wie ihr Segelschiff lang ist. Aber was, wenn eine Kollision absichtlich geschieht? Mit einem alten Kutter voller Sprengstoff? Die Schifffahrtswege der Nordsee sind nur ein paar Minuten entfernt von den Anlagen. Schnell kann ein Schiff aus dem Berufsverkehr ausscheren. Zum nächsten Windpark sind es nur ein paar Minuten. Ein solchermaßen entschlossenes Schiff ist praktisch nicht zu stoppen.

Die geplanten und gebauten Offshore-Windparks in der deutschen AWZ, Quelle: BSH

Im Zeitalter der Holzschiffe hatten die vor Anker liegenden Kapitäne der Korvetten, Fregatten oder Linienschiffen vor einem Angriff besonders Angst: den Brandern. Brander waren für den Angreifer eine äußerst billige und effektive Waffe. Brander waren kleine Beiboote, die von den Angreifern mit Brennmaterial oder Sprengstoff beladen wurden. Sie wurden von einem oder zwei Mann auf Kurs gebracht. Ruder und Segel wurden festgestellt. Die Männer zündeten das kleine Boot an und gingen von Bord. Das Schiff fuhr jetzt lichterloh brennend auf eine in einer Bucht festgemachten Flotte feindlicher Schiffe zu. Eine gewisse Anzahl solcher Brander konnte verheerend sein für die unbeweglich da liegende Flotte aus Holzschiffen. Ein ähnliches Szenario könnte man sich in einem Windpark vorstellen: Kleine, billige Boote, mit Sprengstoff beladen und unbemannt, fahren in den Park und explodieren.

Im Zeitalter der Holzschiffe beugte man Brander-Angriffen vor, in dem man die Bucht oder den Hafen mit Tauen abspannte. Auf diese Weise erschwerte man die Annäherung. Wie aber soll das mitten in der Nordsee aussehen? Die Windparks sind zu allen Seiten offen, sie haben keinen schmalen Flaschenhals, wie so viele Häfen, den man versperren könnte. Die Schifffahrtsrouten in der Ostsee durchschneiden die Windparks. Wer nicht genau auf seinen Kurs achtet, landet schon aus Versehen mitten in einem Wald aus Stahlriesen und muss sehen, wie er da unbeschadet wieder herausfindet.

Es ist also für eine entschlossene feindliche Macht sehr leicht, in die Windparks zu kommen. Per Definition liegen Offshore-Anlagen fern ab der Küste, weit jenseits der 12-Meilen-Zone. Sie sind daher militärisch schwer zu schützen, aber leicht zu attackieren.

Billige Schläge ohne Zivilisten zu gefährden


Wenn sich nun eine feindliche Macht für einen Angriff entschließt, wie könnte sie den maximalen Schaden erzielen? Ein explodierendes Boot aufs Geratewohl in ein Windpark zu schicken, wäre nicht effizient. Die Windräder stehen um die 500 Meter weit auseinander. Die Explosion könnte ein oder zwei Windräder zerstören, die Wrackteile könnten im Umkreis vielleicht drei bis vier weitere beschädigen. Aber so ein Windpark hat meist um die 80 Windkrafträder. Ein Boot mit Sprengstoff gegen die Windkrafträder selbst zu schicken, ist also nicht effizient.

Ein effizienterer Angriff wäre ein Anschlag auf eine der Umspannplattformen und Netzanbindungsstellen, sozusagen die Knotenpunkte eines Windparks. Diese Plattformen sind weithin als solche erkennbar. Ihre Koordinaten sind aus Gründen der Verkehrssicherheit öffentlich zugänglich. Ein „Brander“ mit GPS könnte im Autopilot leicht zu einer entsprechenden Position gebracht werden. Oder ein feindliches Kriegsschiff könnte, in der Nordsee liegend, die Knotenpunkte unter Beschuss nehmen. Denkbar wäre auch eine Unterbrechung der Seekabel am Meeresgrund, etwa durch Taucher.

Konverterplattform, Quelle: Offshore-Stiftung

Das Ausschalten der Offshore-Anlagen würde Deutschland einer Energiequelle berauben. Und anders als die Bombardierung eines konventionellen Kohlekraftwerks oder gar eines Atomkraftwerks, gäbe es höchstwahrscheinlich keine zivilen Opfer zu beklagen, wenn nicht gerade eine Wartungsmannschaft im Schussfeld steht. Eine feindliche Macht könnte, ohne Zivilisten zu töten, eine Energiequelle ausschalten. Das senkt die moralischen und politischen Kosten in einem Konflikt. Schnell ist ein Teil der Stromerzeugung Deutschlands ausgeschaltet, ohne dass ein Deutscher sein Leben lassen musste. Das macht einen Angriff auf die Offshore-Anlage zu einem geeigneten Druckmittel in einem sich verschärfenden, aber noch nicht gewaltvollen Konflikt.

Doch wie weh würde Deutschland ein solcher Angriff auf die Offshore-Anlagen tun? Welchen Schaden könnte solch ein Angriff ausrichten, abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden? Wie groß wäre die Einbuße an Stromerzeugungskapazitäten? Den zweiten Teil der Überlegung finden Sie hier an gleicher Stelle, zur gleichen Zeit, am Freitag, den 12.12.!

Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.

Montag, 8. Dezember 2014

Ein Blick in die Zukunft – die Automatisierung des Militärs im maritimen Raum



Betrachtet man das Science-Fiction-Genre der Populärkultur, kann man sehen, wie sich sowohl einige Drehbuchautoren als auch viele andere Menschen die Zukunft der Menschheit vorstellen. Egal ob man die „Robots“ aus dem Film „I, Robot“, den Terminator oder Mr. Data aus „Star Trek“ betrachtet, unsere Zukunft scheint eine Welt zu sein, in der automatische Maschinen (Roboter, Androiden oder Cyborgs) selbstverständliche Bestandteile menschlicher Gesellschaften sein werden. Dabei scheint die Bandbreite der Fähigkeiten sowie der Nutzen dieser Maschinen genauso groß zu sein wie deren Gefahr für die Menschheit. Und tatsächlich scheinen, wenn man sich die technischen Fortschritte der vergangenen Jahrzehnte vor Augen führt, solche Zukunftsvisionen keine bloße Fiktion mehr zu sein. Dabei ist Forschung im Bereich Rüstung oft der Ausgangspunkt für technische Neuerungen im zivilen Bereich. Die bekanntesten Beispiele für das Fortschreiten der Automatisierung des Militärs und damit der Kriegsführung sind Drohnen (Unmanned Aerical Vehicles; UAVs), Bombenentschärfungsroboter und „intelligente Bomben“. Der „AlphaDog“, ein vierbeiniger Laufroboter in der Größe eines Maultieres, der als Lastenträger für das US-Militär entwickelt wurde, ist ein weiterer Beleg für den Trend der Automatisierung – und in diesem Fall verbunden mit einer (groben äußerlichen) Nachbildung natürlicher Lebensformen.  

Die technische Entwicklung findet jedoch nicht ausschließlich zu Land und in der Luft statt. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeobachtet vollzieht sich die Automatisierung des Militärs auch im maritimen Raum. Angefangen beim Einsatz von UAVs. So hat die deutsche Marine zeitweise erfolgreich den „Camcopter S-100“ als Aufklärungssystem an Bord ihrer Korvetten getestet. Der Camcopter ist eine Helikopter-ähnliche Drohne, die eine vorab programmierte Route weitestgehend autonom abfliegen, aber auch per Joystick gesteuert werden kann. Mittlerweile wurde das Projekt Camcopter allerdings wegen Zulassungsproblemen gestoppt. Im Bereich bewaffneter Drohnen – die der Politikwissenschaftler Herfried Münkler als die Waffen der postheroischen Gesellschaft bezeichnet – machte zuletzt die Entwicklung des X-47B (siehe Abbildung 1) der U.S. Navy Schlagzeilen. Das Versuchsflugzeug X-47B ist der Prototyp eines in der Entwicklung befindlichen neuen (tarnkappenfähigen) unbemannten Trägerflugzeuges für Aufklärungs- und Kampfeinsätze (Unmanned Carrier-Launched Surveillance & Strike; UCLASS). UCLASS-Systeme sollen nach derzeitigem Stand im Zeitraum 2021 bis 2025 eingeführt werden. 
Abb. 1: UCLASS-Landung auf US-Flugzeugträger (Quelle: Welt.de)
         
Auch unter Wasser schreitet die Automatisierung des Militärs voran. Unmanned oder Autonomous Underwater Vehicles (UUV/AUV) werden schon seit Jahrzehnten entwickelt. Im Gegensatz zu unbemannten Luft- und Bodenfahrzeugen gilt es bei UUVs/AUVs allerdings noch gewisse Herausforderungen zu bewältigen: Aufgrund der physikalischen Grenzen des Wasser können diese Geräte nicht aus großer Entfernung in Echtzeit gesteuert werden und müssen somit länger ohne von außen erteilte Steuersignale auskommen. Allerdings gibt es auch hier technische Fortschritte zu verzeichnen. In der deutschen Marine sind unbemannte Unterwasserautomaten bereits Alltag. So erleichtern der „Seehund“ (eine fernlenkbare Magnetspule mit Akustikboje) oder auch die Minenjagddrohnen „Seefuchs“ (siehe Abbildung 2) und „Pinguin B3“, die oftmals schwierige und gefährliche Arbeit von Minentauchern. Ferner wurden im Juni 2014 sechs AUV „Remus 100“ an die Marine übergeben. Die Aufklärungskompanie des Seebataillons in Eckernförde nutzt die „Remus 100“ um den Meeresgrund (in bis zu 100 Meter Tiefe) gemäß einem vorher einprogrammierten Kurs selbständig absuchen zu können. 
Abb. 2: Seefuchs (Quelle: Atlas Elektronik)
       
Der schon erwähnte Unterwasserautomat „Seefuchs“ ist eine Einwegbekämfpungsdrohne, die Unterwasserobjekte wie Minen und Munition orten und bei Bedarf zerstören kann. Die „HUGIN 1000 MR“ hingegen dient der Minenabwehr, U-Jagd und Unterwasseraufklärung in unterschiedlichen Wassertiefen. Solche bisher eingesetzten Unterwasserautomaten lassen Raum für Vorstellungen, wo die zukünftige militärtechnische Entwicklung im maritimen Bereich hingehen könnte. So sind bspw. autonom operierende Unterwasser-Kampfdrohnen vorstellbar, die gegnerische U-Boote (oder auch Überwasserkriegsschiffe) selbständig orten und bekämpfen können. Erste Schritte in diese Richtung hat bereits die U.S. Navy unternommen, die Systeme entwickeln lässt, die in noch größere Tiefen als bisher tauchen und dabei U-Boote entdecken und identifizieren können. Außerdem lässt die U.S. Navy an einer Drohne forschen, die für die Dauer von bis zu einer Woche autonom operieren kann. Ein anderer Schwerpunkt gegenwärtiger technischer Forschung sind Schwarmdrohnen, die den Vorteil haben, dass sie sich Arbeiten untereinander aufteilen können. Dabei können einzelne Drohnen Unterwasseraufgaben erledigen, während andere in der Nähe der Wasseroberfläche bleiben und so den Funkkontakt zur Basisstation aufrechterhalten. 
 
Hinsichtlich der Automatisierung des Militärs bzw. der Kriegsführung im maritimen Raum stellen sich grundsätzliche Fragen, die auch im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatz von bewaffneten Drohnen gegen Bodenziele aufgekommen sind. So stellt sich die Frage, ob die zunehmende Automatisierung der Kriegsführung die Hemmschwelle für den Einsatz von Gewalt herabsetzt? Auf der Pro-Seite einer weiteren Automatisierung steht die moralische Verpflichtung, das Leben und die Gesundheit der eigenen Soldaten durch neueste Technik bestmöglich zu schützen – zumal sich die Verbreitung neuer Technik ohnehin nicht verhindern lässt. Die Verwendung von Begriffen wie „Killerdrohnen“ in der Debatte führen jedenfalls in die falsche Richtung. Waffensysteme wie bewaffnete Drohnen (sowohl im Luft- als auch im Unterwassereinsatz) sollten grundsätzlich als ethisch neutral betrachtet werden. Denn letztlich liegt es in der Verantwortung der Menschen, wie und wofür diese Systeme eingesetzt werden. Die weitere Entwicklung, sowohl im technischen Bereich als auch in der Debatte über den Einsatz neuer Technik, verspricht jedenfalls spannend zu bleiben.

Kai Strell ist Student im Masterstudiengang „Internationale Politik und Internationales Recht“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind humanitäres Völkerrecht und Seerecht sowie Frieden und Sicherheit in Afrika. Herr Strell war studentischer Mitarbeiter des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) und hält Vorträge zur politischen Bildung.

Sonntag, 7. Dezember 2014

Der bewaffnete Konflikt zur See im 21. Jahrhundert – „alte“ Szenarien und neue Herausforderungen

Über 30 Jahre liegen die letzten größeren auf See ausgetragenen Kampfhandlungen mittlerweile zurück. Seitdem haben sich nicht nur die globalen politischen Konstellationen und Kräfteverhältnisse verändert, sondern damit einhergehend auch, zu Land wie zur See, die Charakteristika der bewaffneten Konflikte.
Während es heute nur noch verhältnismäßig wenige zwischenstaatliche Kriege gibt, steigt die Anzahl derer mit Beteiligung nicht-staatlicher Akteure stetig. Eine Entwicklung, welche auch die „maritimen Bedrohungsszenarien“ erheblich erweitert.

Verschwommene Grenzen: Freund oder Feind?
(Quelle: seefahrer.blog.de)

Das „klassische“ Szenario

1982 standen sich während des Falklandkrieges mit britischen sowie argentinischen Flottenverbänden zum bisher letzten Mal zwei staatliche Kontrahenten in einem größeren Seegefecht gegenüber. Obwohl hier vor allem das britische Atom-U-Boot „HMS Conqueror“ sowie die von argentinischen Flugzeugen abgefeuerten Luft-Schiff-Raketen des Typs „Exocet“ eine herausragende Rolle spielten, kann dieses Seegefecht heute als letzte „klassisch-symmetrische“ Kampfhandlung dieser Art gesehen werden.


Flottenverband der Royal Navy mit Kurs auf die Falklands.
(Quelle: militarythoughts.wordpress.com)
Trotz der nur wenigen zwischenstaatlichen Kriege heutzutage, kann und sollte aber auch dieses Szenario weiterhin Beachtung finden.
Konfliktherde mit Beteiligung verschiedener Staaten gibt es beispielsweise im südchinesischen Meer oder in der Arktis.
Angesichts der aktuellen russischen Machtdemonstrationen in (u.a.) der Nord- und Ostsee, die zwar bislang nicht bedrohlich, aber dennoch eindeutig sind, muss auch der momentan so häufig erwähnte „Kalte Krieg 2.0“, zumindest in der Theorie, als mögliches Szenario betrachtet werden.


Die „Neuauflage des Klassikers“

Aufgrund der in den globalen Kräfteverhältnissen überwiegend vorherrschenden Asymmetrien, bedienen sich vermeintlich unterlegene Staaten in einem Konflikt bereits seit Menschengedenken
asymmetrischer Methoden der Kriegsführung.
Das gilt logischerweise auch für die Seekriegsführung. Der „klassische“ zwischenstaatliche Konflikt wird quasi mit anderen Mitteln geführt.
Als Beispiel kann hier der sogenannte „Tanker War“ während des sich ab 1980 entwickelnden ersten Golfkriegs zwischen dem Iran und dem Irak herangezogen werden. 

Flugkörperschnellboote der iranischen Marine.
(Quelle: Naval Open Source INTelligence)
Zum einen sind die Methoden auffällig, derer sich die beiden Kontrahenten im Rahmen ihrer Seekriegsführung bedienten. Während der Irak vor allem auf Luft-Schiff-Raketen setzte, hat sich der Iran der verschiedensten Mittel, darunter Minen, landgestützte Anti-Schiffs-Raketen sowie Speedboot-Attacken, bedient.
Zu einem größeren, direkten Gefecht zwischen iranischen und irakischen Marineeinheiten ist es nicht gekommen.


Neue Akteure, neue Herausforderungen, neue Szenarien

Das vermehrte Mitwirken nicht-staatlicher Akteure in bewaffneten Auseinandersetzungen mit zum Teil globalen Auswirkungen bringt schließlich ganz neue Herausforderungen mit sich.
Da diese Konfliktparteien im Vergleich mit einem staatlichen Akteur theoretisch eigentlich immer unterlegen scheinen, nutzen auch sie vor allem asymmetrische Methoden der Kriegsführung. Regeln gibt es für sie häufig nicht.

Die Bilder der durch einen „maritimen Selbstmordanschlag“ beschädigten „USS Cole“ im jemenitischen Aden gingen im Jahr 2000 um die Welt.
Durch relativ simple und vergleichsweise einfach zu beschaffende Mittel wurde hier ein großer Schaden verursacht. Das Ergreifen präventiver Maßnahmen ist bei solchen Angriffen besonders schwierig, eine Reaktion eigentlich erst möglich, wenn es fast zu spät ist.

Nicht zuletzt verdeutlicht auch das Beispiel der Piraterie, welche maritime Bedrohung globalen Ausmaßes heutzutage von nicht-staatlichen Akteuren ausgehen kann und welche finanziellen, personellen und materiellen Kräfte dadurch gebunden werden. Von Symmetrie kann in solchen Konflikten in jeglicher Hinsicht keine Rede sein.



Der Konflikt zur See im 21. Jahrhundert – „die Quadratur des Kreises“

Die maritimen Bedrohungsszenarien sind heute, nicht zuletzt durch die Beteiligung nicht-staatlicher Akteure, sicherlich zahlreicher und komplexer als je zuvor. Sie reichen von „klassischen“ zwischenstaatlichen Konflikten über die Bedrohung durch nicht-staatliche, asymmetrisch agierende Akteure bis hin zu Herausforderungen, die momentan eventuell noch nicht einmal klar zu identifizieren sind.
Um auf diese vielschichtigen Bedrohungen bestmöglich reagieren und, in Anlehnung an das mathematische Problem, eine bestmögliche Lösung finden zu können, ist eine gut ausgerüstete und entsprechend vorbereitete Marine unabdingbar. Sicherheit hat ihren Preis.


Moritz Müller ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind Außen- und (maritime) Sicherheitspolitik sowie völkerrechtliche Themen.