Sie wiegen Zehntausende und kosten Milliarden. Offshore Bohrinseln sind Städte, die nicht auf dem Territorium eines Landes stehen. Auf ihnen leben Menschen und von ihnen leben Menschen. Seit sechzig Jahren bringen sie für unsere Zivilisation Öl und Gas – Energie. Bild: Oilguru |
Riesen
aus Stahl. Beine, so dick wie ein Haus und so lang wie die höchsten
Wolkenkratzer. Ein Körper, durchzogen von Rohren und Kabeln mit nur
einem Zweck: Öl aus Tiefen zu fördern, die einen Menschen schon
hundertfach zerquetscht hätten, bevor er zu ihnen gelangt wäre:
Offshore Bohrinseln. Es sind Titanen, die unsere Zivilisation tragen,
indem sie uns mit Öl, Gas und bald auch Metallen versorgen. Und die
neusten Titanen kosten Hundertsechzigtausend Dollar – jeden Tag.
Hunderte
Menschen leben auf ihnen: Handwerker, Ingenieure, Köche und die, die
die Wäsche machen für die Handwerker, Ingenieure und Köche. Es
sind kleine Städte auf dem Meer. Und das Meer ist ein
lebensbedrohlicher Ort. Seit Menschen Offshore nach Öl und Gas
bohren, fürchten sie Stürme und technische Fehler.
Doch nach und nach gewinnt der Mensch mit neuer Technik den Kampf
gegen die Kräfte der Natur. Heute sind Offshore Plattformen vor den
Naturgewalten weitesgehend sicher und die Natur muss ihrerseits
Fehler der Betreiber ausbaden. 2010 führte ein Defekt an der
Plattform Deepwater Horizon zur größten Ölverschmutzung derGeschichte.
Für
den Bürger an Land war die Deepwater Horizon Katastrophe auch die
letzte und einzige Geschichte, die er über Offshore-Förderanlagen
mitbekommen hat. Die Plattformen waren schon länger sturmfest
geworden, es gab nichts anderes von Besonderheit im regelmäßigen
Geschäft auf hoher See, bis 2010 die Katastrophe kam.
Der
Kampf gegen die See ist weitesgehend gewonnen. Aber der Kampf um die
See und um die besten Plätze für die Offshore Plattformen hat
begonnen. Im Frühjahr letzten Jahres sendete China zwei seiner
schlagkräftigsten Kriegsschiffe, die Kunlunshan und die Jinggangshan
in das Südchinesische Meer, vor die vietnamesische Küste. Sie
sollten eine Ölplattform schützen, die China dort platzieren
wollte.
An Weihnachten gab Israel bekannt, dass es vier Fregatten anschaffen will, die eingesetzt werden sollen, um Israels Offshore Plattformen
im Mittelmeer zu schützen. Zu diesem Zweck patrouillieren seit 2012 große Teile der israelischen
Marine dort. Kanada baut entgegen aller Klischees über seinen friedliebenden
Nationalcharakter eine Marine auf,
die in der Arktis kanadische Ansprüche vor alle gegen Russland
verteidigen soll, das seinerseits Teile seines Militärs in die
nördlichsten Bereiche seines Landes verlegt.
Das
zeigt: Industrialisierte Staaten sehen den bewaffneten Kampf um
Ressourcen auf hoher See als realistische Zukunft und wollen darauf
vorbereitet sein. Längst sehen sie nicht mehr nur Terroristen
als Gefahr für die maritime Sicherheit, sondern andere Staaten.
Israel fürchtet Angriffe der Marinen seiner Nachbarstaaten auf seine
Energieversorgung. China will seine Ansprüche gegen alle anderen
asiatischen Staaten durchsetzen: Japan im Osten und Vietnam, Korea,
Malaysia, die Philippinen aber auch Indonesien im Süden. Die
berühmt-berüchtigte Neun-Punkte-Linie Chinas überlagert sich hier
mit den Anspruchszonen, die durch das UN-Seerechtsabkommen von 1982
festgelegt worden waren. Noch ist der Arktische Rat offiziell
optimistisch, dass sie die Arktis friedlich aufteilen können.
Auf
dem ganzen Erdball führt die Knappheit der Rohstoffe dazu, dass die
Staaten auf hohe See schauen, um die Versorgung ihrer Zivilisation
mit Wärme, Transportmitteln und allerlei elektronischen
Gerätschaften sicherzustellen. Ein Blick auf den Globus und eine
Linien, die man zweihundert Meilen von jeder Landmasse zieht, zeigen
die Sphären der Wirtschaftsinteressen der Küstenstaaten. Jede kleine Insel löst eine zweihundert Meilen Zone aus. In diese
Zone mindestens können die Staaten ihre staatliche Souveränität
ausweiten wollen.
"The whole issue of 'economic waters' actually triples the size of Israel, but also creates strategic threats not only concerning the rigs and those working there, but also a threat to Israel's energy supply," said a senior naval officer. "A possible strike against the rigs is a nightmare scenario." Zitat: Haaretz 9. Jan. 2012; Bild: Rigzone.com |
Das
21. Jahrhundert wird mit wirtschaftlicher Prosperität einhergehend
erleben, wie Staaten ihre Territorial verankerte Souveränität auf
Bereiche der hohen See übertragen wollen. Kann das Völkerrecht
Schritt halten?
Die
Gründe für Konflikte verstärken sich. Bald ist es nicht nur Öl
und Gas, das Offshore gefördert wird: auch Metalle verbergen sich in
den Tiefen der Meere - und alle wollen ein Stück vom Kuchen. Aber
gleichzeitig verstärken sich auch die Gründe für eine friedliche
Belegung der Konflikte: So eine Offshore Plattform mit all der
dazugehörigen Infrastruktur wird Milliarden von Dollar kosten.
Zusätzlich kommt der durch die gewonnenen Rohstoffe riskierte
Nutzen für die Volkswirtschaft. Wenn alle Staaten solche Plattformen
besitzen, sollten sie sich gegenseitig nicht die Risikokosten erhöhen
wollen. Logisch wäre daher eine friedliche Einigung zum Nutzen aller
Beteiligter. Aber irrationales Verhalten kann diese Rechnung immer
stören. Und ein Staat, der keine Offshore Plattformen hat, hat auch
nichts zu verlieren, und alles zu gewinnen, wenn er die Arterie der
Wirtschaft seines Gegners auf hoher See kappen kann.
Die
Konflikte auf hoher See werden zunehmen, während die Staaten ihre
Interessensphären gegeneinander abzugrenzen versuchen. Es bleibt die
Frage zu untersuchen, ob die Vermehrung der Offshore Anlagen als
Katalysator für die Entwicklung des Völkerrechts dienen kann.
Milliarden-Dollar Investments und die Versorgungssicherheit der
Weltwirtschaft sollte als Interesse Vorrang haben vor
nationalistischen Kurzsichtigkeiten
und so den Frieden auf See bewahren.
Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik
und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu
Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er
Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.
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