Freitag, 2. Januar 2015

Räume für Titanen aus Stahl - Offshore-Förderplattformen als Ursachen für Konflikte

Sie wiegen Zehntausende und kosten Milliarden. Offshore Bohrinseln sind Städte, die nicht auf dem Territorium eines Landes stehen. Auf ihnen leben Menschen und von ihnen leben Menschen. Seit sechzig Jahren bringen sie für unsere Zivilisation Öl und Gas – Energie. Bild: Oilguru
 Riesen aus Stahl. Beine, so dick wie ein Haus und so lang wie die höchsten Wolkenkratzer. Ein Körper, durchzogen von Rohren und Kabeln mit nur einem Zweck: Öl aus Tiefen zu fördern, die einen Menschen schon hundertfach zerquetscht hätten, bevor er zu ihnen gelangt wäre: Offshore Bohrinseln. Es sind Titanen, die unsere Zivilisation tragen, indem sie uns mit Öl, Gas und bald auch Metallen versorgen. Und die neusten Titanen kosten Hundertsechzigtausend Dollar – jeden Tag.
Hunderte Menschen leben auf ihnen: Handwerker, Ingenieure, Köche und die, die die Wäsche machen für die Handwerker, Ingenieure und Köche. Es sind kleine Städte auf dem Meer. Und das Meer ist ein lebensbedrohlicher Ort. Seit Menschen Offshore nach Öl und Gas bohren, fürchten sie Stürme und technische Fehler. Doch nach und nach gewinnt der Mensch mit neuer Technik den Kampf gegen die Kräfte der Natur. Heute sind Offshore Plattformen vor den Naturgewalten weitesgehend sicher und die Natur muss ihrerseits Fehler der Betreiber ausbaden. 2010 führte ein Defekt an der Plattform Deepwater Horizon zur größten Ölverschmutzung derGeschichte.
Für den Bürger an Land war die Deepwater Horizon Katastrophe auch die letzte und einzige Geschichte, die er über Offshore-Förderanlagen mitbekommen hat. Die Plattformen waren schon länger sturmfest geworden, es gab nichts anderes von Besonderheit im regelmäßigen Geschäft auf hoher See, bis 2010 die Katastrophe kam.
Der Kampf gegen die See ist weitesgehend gewonnen. Aber der Kampf um die See und um die besten Plätze für die Offshore Plattformen hat begonnen. Im Frühjahr letzten Jahres sendete China zwei seiner schlagkräftigsten Kriegsschiffe, die Kunlunshan und die Jinggangshan in das Südchinesische Meer, vor die vietnamesische Küste. Sie sollten eine Ölplattform schützen, die China dort platzieren wollte.  An Weihnachten gab Israel bekannt, dass es vier Fregatten anschaffen will, die eingesetzt werden sollen, um Israels Offshore Plattformen im Mittelmeer zu schützen. Zu diesem Zweck patrouillieren seit 2012 große Teile der israelischen Marine dort. Kanada baut entgegen aller Klischees über seinen friedliebenden Nationalcharakter eine Marine auf, die in der Arktis kanadische Ansprüche vor alle gegen Russland verteidigen soll, das seinerseits Teile seines Militärs in die nördlichsten Bereiche seines Landes verlegt.
Das zeigt: Industrialisierte Staaten sehen den bewaffneten Kampf um Ressourcen auf hoher See als realistische Zukunft und wollen darauf vorbereitet sein. Längst sehen sie nicht mehr nur Terroristen als Gefahr für die maritime Sicherheit, sondern andere Staaten. Israel fürchtet Angriffe der Marinen seiner Nachbarstaaten auf seine Energieversorgung. China will seine Ansprüche gegen alle anderen asiatischen Staaten durchsetzen: Japan im Osten und Vietnam, Korea, Malaysia, die Philippinen aber auch Indonesien im Süden. Die berühmt-berüchtigte Neun-Punkte-Linie Chinas überlagert sich hier mit den Anspruchszonen, die durch das UN-Seerechtsabkommen von 1982 festgelegt worden waren. Noch ist der Arktische Rat offiziell optimistisch, dass sie die Arktis friedlich aufteilen können.
Auf dem ganzen Erdball führt die Knappheit der Rohstoffe dazu, dass die Staaten auf hohe See schauen, um die Versorgung ihrer Zivilisation mit Wärme, Transportmitteln und allerlei elektronischen Gerätschaften sicherzustellen. Ein Blick auf den Globus und eine Linien, die man zweihundert Meilen von jeder Landmasse zieht, zeigen die Sphären der Wirtschaftsinteressen der Küstenstaaten. Jede kleine Insel löst eine zweihundert Meilen Zone aus. In diese Zone mindestens können die Staaten ihre staatliche Souveränität ausweiten wollen.
"The whole issue of 'economic waters' actually triples the size of Israel, but also creates strategic threats not only concerning the rigs and those working there, but also a threat to Israel's energy supply," said a senior naval officer. "A possible strike against the rigs is a nightmare scenario." Zitat: Haaretz 9. Jan. 2012; Bild: Rigzone.com
Das 21. Jahrhundert wird mit wirtschaftlicher Prosperität einhergehend erleben, wie Staaten ihre Territorial verankerte Souveränität auf Bereiche der hohen See übertragen wollen. Kann das Völkerrecht Schritt halten?
Die Gründe für Konflikte verstärken sich. Bald ist es nicht nur Öl und Gas, das Offshore gefördert wird: auch Metalle verbergen sich in den Tiefen der Meere - und alle wollen ein Stück vom Kuchen. Aber gleichzeitig verstärken sich auch die Gründe für eine friedliche Belegung der Konflikte: So eine Offshore Plattform mit all der dazugehörigen Infrastruktur wird Milliarden von Dollar kosten. Zusätzlich kommt der durch die gewonnenen Rohstoffe riskierte Nutzen für die Volkswirtschaft. Wenn alle Staaten solche Plattformen besitzen, sollten sie sich gegenseitig nicht die Risikokosten erhöhen wollen. Logisch wäre daher eine friedliche Einigung zum Nutzen aller Beteiligter. Aber irrationales Verhalten kann diese Rechnung immer stören. Und ein Staat, der keine Offshore Plattformen hat, hat auch nichts zu verlieren, und alles zu gewinnen, wenn er die Arterie der Wirtschaft seines Gegners auf hoher See kappen kann.
Die Konflikte auf hoher See werden zunehmen, während die Staaten ihre Interessensphären gegeneinander abzugrenzen versuchen. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob die Vermehrung der Offshore Anlagen als Katalysator für die Entwicklung des Völkerrechts dienen kann. Milliarden-Dollar Investments und die Versorgungssicherheit der Weltwirtschaft sollte als Interesse Vorrang haben vor nationalistischen Kurzsichtigkeiten und so den Frieden auf See bewahren.
Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.

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