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Dienstag, 30. Dezember 2014

Weihnachten 2004 - Der Tsunami vom 26. Dezember und seine Folgen

Es war zwischen 9 und 10 Uhr morgens am zweiten Weihnachtstag 2004, also vor ziemlich genau 10 Jahren, als sich das Wasser hunderte Meter vom Strand der im Norden Sumatras gelegenen Provinz Aceh zurückzog. Die Bilder des kurz darauf folgenden Tsunamis, der insgesamt vermutlich bis zu 280.000 Menschenleben forderte und weitaus mehr Menschen zu Obdachlosen werden ließ, gingen damals wie kürzlich zum 10. Jahrestag um die Welt.
Dieses Unglück verdeutlichte nicht nur die Notwendigkeit eines Frühwarnsystems zum Schutz der Menschen vor solchen Naturkatastrophen in derart gefährdeten Regionen. Es war auch ein Beispiel für etwas, das leider allzu oft unter den Teppich gekehrt wird: die humanitären Hilfsleistungen der Bundeswehr.

Tsunamis – ein physikalisches Phänomen mit Tücke

Das Epizentrum des Seebebens vom 26. Dezember 2004...
(Quelle: The University of Sydney)
Tsunamis (japanisch, zusammengesetzt aus den Worten „große Welle“ und „Hafen“) sind Riesenwellen, die aus vertikalen Bewegungen des Meeresbodens, etwa Seebeben, Hangrutschen oder auch vulkanischen Eruptionen, resultieren. Die zum Teil bis zu 30 Meter hohen Wellen türmen sich allerdings erst in flacher werdenden Küstengewässern auf, was sie für die Küstenbewohner besonders gefährlich macht. Ist eine solche Riesenwelle in Sichtweite, bleibt den Menschen nur wenig Zeit zu reagieren. Auf hoher See sind die sich mit bis zu 800 km/h (die Geschwindigkeit ist unter anderem abhängig von der Wassertiefe) fortbewegenden Tsunamis kaum bemerkbar. Bereits der japanische Name für dieses Phänomen deutet darauf hin, dass es vor allem im pazifischen Raum vorkommt.

... und der Wirkungsbereich des darauf folgenden Tsunamis.
(Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe)
Das Seebeben, welches dem Tsunami vom 26. Dezember 2004 vorausging, war eines der schwersten bisher gemessenen. Die sich vom Epizentrum konzentrisch ausbreitenden und mitunter bis zu 200 km langen Wellen erreichten die Küsten von Indien, Thailand, Malaysia, Indonesien, Sri Lanka, der Malediven sowie Somalias und Kenias.






Die Möglichkeiten eines Frühwarnsystems

Mit dem Indischen Ozean war 2004 eine Region betroffen, in der es, im Gegensatz zum pazifischen Raum, bis dato noch keine Frühwarnsysteme zur Tsunami-Erkennung gab. Während Forscher am anderen Ende der Welt, nämlich im Tsunami-Frühwarnzentrum von Hawaii (PTWC), dank ihrer Instrumente bereits acht Minuten nach dem Seebeben über die drohende Gefahr Bescheid wussten, war ein Großteil der Menschen in den konkret bedrohten Gebieten bis zuletzt ahnungslos. 
Aufgrund nicht vorhandener Informationsketten, des Fehlens einer Übersicht über die jeweiligen Ansprechpartner sowie unklarer Abläufe im Ernstfall versickerten die wahrscheinlich lebensrettenden Informationen aus Hawaii irgendwo im Nirgendwo.

Als Konsequenz der Katastrophe von 2004 wurde im indonesischen Jakarta mit deutscher Hilfe ein Tsunami-Frühwarnzentrum aufgebaut, das heute mithilfe eines Bojen-Systems im Indischen Ozean die Daten sämtlicher Erdbeben in der Region aufzeichnet und gegebenenfalls eine Tsunami-Warnung herausgibt. Diese soll dann spätestens 10-15 Minuten nach der ersten Aufzeichnung eines Bebens via Fernsehen und Rundfunk sowie durch Imame von den Minaretten der Moscheen verbreitet werden. In der Theorie sollen sich die Menschen dann auf neu errichtete Schutztürme oder in höher gelegene Regionen flüchten. 

Funktionsweise des 2005/06 errichteten Frühwarnsystems "GITEWS".
(Quelle: Deutsches Geoforschungszentrum

Am 26. Dezember 2004 dauerte es knapp eine halbe Stunde bis die erste Welle die Küste der Region Aceh erreichte. Nach heutigem Stand hätten die Menschen also knapp 15 Minuten gehabt, um sich in Sicherheit zu bringen.

Die Bundeswehr im humanitären Hilfseinsatz

Bereits zwei Tage nach der Katastrophe begann die Bundeswehr aktiv mit der humanitären Hilfe. Ein Airbus A310 MedEvac flog in den ersten Tagen nahezu pausenlos verletzte Touristen zurück nach Deutschland und versorgte sie bereits in der Luft medizinisch.
Ab dem 06. Januar 2005 begann der Aufbau des mobilen Rettungszentrums des Sanitätsdienstes in der Region Aceh, das nur wenige Tage später seine Arbeit aufnehmen konnte. Die größte Gefahr drohte zu dem Zeitpunkt durch den Ausbruch einer Seuche oder einer Epidemie, wie beispielsweise Malaria. Schließlich waren die überfluteten Gebiete eine hervorragende Brutstätte für Mücken, welche die Krankheit übertragen können.

Am 13. Januar traf schließlich der Einsatzgruppenversorger (EGV) „Berlin“, der bereits am 30. Dezember 2004 aus der Operation „Enduring Freedom“ vor dem Horn von Afrika herausgelöst wurde, vor Aceh ein. Das Schiff hatte ein „Marineeinsatzrettungszentrum“ (MERZ) an Bord, in dem auch kompliziertere Operationen sowie genauere medizinische Analysen vorgenommen werden können.

Der EGV "Berlin" mit den Containern des MERZ (direkt unterhalb der Brücke) an Bord.
(Quelle: Wikipedia)

Insgesamt hat die Bundeswehr in ihrem bis Mitte März 2005 andauernden und bis dato größten humanitären Hilfseinsatz nicht nur dabei geholfen das General Hospital in der Provinzhauptstadt Banda Aceh wieder aufzubauen, sondern auch 2311 Menschen behandelt, 854 Patienten stationär aufgenommen, 196 Operationen durchgeführt, 3429 Malaria-Impfungen und 89 MedEvac-Flüge vorgenommen sowie Geräte und Medikamente im Wert von 2,7 Millionen Euro aus ihren Beständen an die indonesischen Behörden übergeben.

Dass die Bundeswehr eben nicht nur in bewaffneten Konflikten, sondern auch für derartige humanitäre Hilfsmissionen eingesetzt wird und in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag leistet, gerät leider immer wieder schnell in Vergessenheit.



Moritz Müller ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind Außen- und (maritime) Sicherheitspolitik sowie völkerrechtliche Themen.

Dienstag, 9. Dezember 2014

Wir müssen über Gefühle reden.

"Meer.Für.Dich" - Ein ansprechender Auftritt?


Mit den Deutschen und ihrer Bundeswehr ist das immer so eine Sache. Die gegenüber Streitkräften grundsätzlich kritische Haltung ergibt sich aus der Deutschen Geschichte und mag nachvollziehbar erscheinen. Dennoch stellt sich die Frage, warum sie sich so schwer tun, die Deutschen, mit ihrer Parlamentsarmee, die als Ausdruck einer wehrhaften Demokratie auch im 21. Jahrhundert zur Wahrung des Friedens eingesetzt wird. Oder begründet sich das fortlaufend kritische, öffentliche Bild der Bundeswehr auch ein Stück weit damit, wie sich die Streitkräfte der Öffentlichkeit selbst präsentieren?

Tue Gutes und rede darüber

Tue Gutes und rede darüber. Was im PR- und Werbegeschäft gilt, gilt grundsätzlich auch für Streitkräfte. Der Wert zielgruppenorientierter Kommunikation kann im digitalen Zeitalter nicht oft genug betont werden. Gerade, wenn ein Arbeitgeber wie die Bundeswehr sich nicht zuletzt auch durch die Wehrpflichtsreform strukturell tiefgreifenden Einschnitten gegenüber sieht. Erst kürzlich betonte Dr. Jann-Markus Witt vom Deutschen Marinebund gegenüber Studenten der CAU-Kiel, dass mit dem Aussetzen der Wehrpflicht die Qualität derjenigen, die sich letzten Endes für eine Offizierlaufbahn entschieden, deutlich zurückgegangen sei. „Nimm was du kriegen kannst“, als Rekrutierungsmaxime für die nationale Sicherheit? Mitnichten. Grund genug daher, einmal genauer hinzusehen, wie es um die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Streitkräfte allgemein, und um die der Deutschen Marine insbesondere bestellt ist.

Gefällt mir nicht.

Wer von zielgruppenorientierter Kommunikation spricht, kommt gerade im Bezug auf die Generierung von Nachwuchs an Facebook als Kommunikationsmedium nicht vorbei. Das soziale Netzwerk hat sich längst als feste Größe innerhalb der Außendarstellung von öffentlichen Akteuren etabliert. Von den 27, 39 Millionen Deutschen Facebook-Nutzern zählen laut einer Erhebung des Statistikportals „Statista“ von 2014 rund 35,8% zur für die Bundeswehr relevanten Zielgruppe der unter 25-Jährigen. Das macht immerhin gut 9,8 Millionen potentielle Rekrutinnen und Rekruten für Bundeswehr und damit auch für die Marine. Neunmillionenachthundertausend ist eine große Zahl, welche exemplarisch die Relevanz des Mediums Facebook verdeutlicht. Ein Umstand, dem sich auch die Bundeswehr nicht verschließen kann. „Fun Fact“ in diesem Zusammenhang: Der aktuelle Jahresbericht der Jugendoffiziere, der mit dem Statement „Jugendoffiziere sind wichtige Träger der Öffentlichkeitsarbeit“ eingeleitet wird, enthält genau einen (in Zahlen 1) inhaltlichen Verweis auf soziale Netze. Facebook kommt inhaltlich somit für die Bundeswehr nicht vor.

Wir. Dienen. Deutschland.

Darum lohnt ein genauerer Blick in besagtes Portal, um sich ein Bild der entsprechenden Facebook-Seite der Bundeswehr bzw. der Marine zu machen. Am heutigen Tag, den 09.12.2014 um 12:00 Uhr haben die Seite der Bundeswehr 313.098 Menschen mit „Gefällt mir“ markiert, sprich „geliked“, das ist ein veritabler Wert. In diesem Zusammenhang wichtig ist der Verweis darauf, dass es sich bei der Bundeswehr-Seite um eine aktiv verwaltete, d.h. mit tagesaktuellen Inhalten gepflegte Seite handelt, wie sie auch von Unternehmen oder anderen Akteuren des öffentlichen Lebens geführt wird. Sie bietet eine quasi barrierefreie Kommunikation zwischen Sender und Empfänger. Die Seite der Deutschen Marine hingegen hat zur selben Zeit 14.216 „likes“ und ist im Gegensatz zur Bundeswehr-Seite nicht aktiv geführt. Bis auf einen kurzen Informationstext à la Wikipedia und einem Bild des Eisernen Kreuzes ist hier nicht viel los.

Bananen-Republik?

Wer daraus folgert, die Marine würde nichts für ihre öffentliche Wahrnehmung tun, der irrt. Im Juli letzten Jahres wurde ein Video mit dem unbeholfen wirkenden Titel „Marine Trailer Bananen  (das Ding heißt wirklich so) auf dem Videoportal „Youtube“ online gestellt. Dort zu sehen gibt es neben einigen Binsenwahrheiten und Schüssen ins leere wenig werbewirksames. Unterlegt mit einem billigen Midi-Sample beschleicht den Betrachter beim Genuss dieser PR-Maßnahme ein eher merkwürdiges Gefühl zwischen Verwunderung und Ärger. Ist das die Art und Weise, wie sich die Marine im 21. Jahrhundert präsentieren möchte? Die Kosten für Werbemaßnahmen der Bundeswehr, wie etwa das Handelsblatt berichtete, haben sich zwischen 2011 und 2012 mehr als verdoppelt. Aus dem jährlichen Werbeetat von über 20 Millionen Euro wurde unter Anderem die Anschaffung eines Info-Trucks finanziert, der sich nun auf Provinzjahrmärkten ein Stelldichein mit Autoscooter, Zuckerwatte und co. gibt. Mehr als „Marine Trailer Bananen“ war da nicht drin, liebe Marine?

Subjektiv fragwürdig, objektiv im Soll?

Das Problem mit Formulierungen wie den hier getätigten ist stets, dass eine intersubjektive Überprüfbarkeit ob des subjektiven Empfindens von künstlerischen Maßnahmen nicht wirklich gegeben ist. Oder zu Deutsch: Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. An dieser Stelle hilft eine empirische Analyse, welche die Performance von Facebook-Likes europäischer Marinen unter der Berücksichtigung relevanter, unabhängiger Variablen wie Streitkräfteumfang, Population, Rüstungsausgaben und Küstenlinienlänge berücksichtigt. Eine Dummy-Variable kontrolliert für den Effekt aktiver oder passiver Seitenadministration. Die Ergebnisse der "Ordinary Least Squares" (OLS) Regression sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Ergebnis der OLS-Regression 

Es lässt sich festhalten, dass einzig die Variablen NAVFOR (Truppenstärke der Teilstreitkraft Marine), TROOP (Truppenstärke absolut) und EXPEND (Staatsausgaben für Verteidigung) einen signifikanten Beitrag zur Aussagekraft des Modells leisten. Mit einem R² von 0.79838 erklärt das vorliegende Modell - so die Theorie - 79% der vorhandenen Varianz. Interessant ist auch, dass die Dummy-Variable NAV_ACTIVE (Aktive/Passive Seitenführung) nicht signifikant ist. Das in Facebook-Likes gemessene Interesse an europäischen Marinen scheint folglich also mehr über die relative und absolute Truppenstärke, als auch über die Staatsausgaben für Streitkräfte zu entstehen, als über eine aktiv oder passiv geführte Seite. Schande über mein Haupt. Also doch alles gar nicht so schlimm?

Was will die Bundeswehr?

Mitnichten. Das vorliegende Modell kann keinen Anspruch auf umfassende Aussagekraft erheben. Die Datendichte ist eigentlich zu gering, um eine handfeste Schlussfolgerung ziehen zu können. Dennoch führt eine Analyse der entsprechenden Daten exemplarisch vor Augen, dass das Verhältnis empirischer Werte wie Truppenstärke, Rüstungsausgaben und Social Media Aktivität starken Schwankungen unterworfen ist. Im Europäischen Vergleich sticht das altbackene Erscheinungsbild des öffentlichen Auftritts der Bundeswehr / Marine dennoch hervor, Subjektivität hin oder her. Die abschließende Frage muss also lauten: Was will die Bundeswehr mir ihrer Öffentlichkeitsarbeit erreichen? Glaubt man an die Ausdruckskraft von nach Außen gerichteter Kommunikation, so ist die Bundeswehr meilenweit von dem entfernt, was Ministerin von der Leyen öffentlich proklamiert, nämlich ein Arbeitgeber auf der Höhe der Zeit zu sein. Aber auch das ist natürlich Gefühlssache. 

Die Royal Navy macht's vor. "Protecting Our Nations Interest's" statt "Meer.Für.Dich"



Bendix Hügelmann, B.A., ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, sowie Mitarbeiter am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Seine Studien- und Forschungsschwerpunkte bilden  politische Ökonomie, Globalisierungs- und Nachhaltigkeitsstudien sowie Seerecht und Maritime Sicherheit. 


Sonntag, 23. November 2014

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Die Frage nach der Einsatzfähigkeit der deutschen Marine

Die Frage nach der tatsächlichen Einsatzfähigkeit der deutschen Marine ist nun wirklich nicht neu. Vieles über dieses Thema ist in der jüngeren Vergangenheit schon gesagt und geschrieben worden. Trotzdem scheinen das Finden einer Antwort auf ebendiese Frage sowie das Ziehen folgerichtiger Rückschlüsse aus verschiedenen Gründen momentan besonders wichtig.

Die deutsche Marine zwischen Anspruch...
(Quelle: Deutsches Maritimes Institut e.V.)
So hat der neue Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, Anfang des Monats beispielsweise den Jahresbericht 2014 zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. Die Zusammenfassung dieses Berichts, in der zahlreiche Fakten und Zahlen aufgeführt werden, verdeutlicht erneut die herausragende Bedeutung des Welthandels für die Exportnation Deutschland und unterstreicht die daraus resultierende deutsche Abhängigkeit vom Seehandel.


...und Wirklichkeit?
(Quelle: fotocommunity.de)
Gleichzeitig geht aus dem Jahresbericht 2014 aber auch hervor, dass die Anzahl der Schiffe und Boote der deutschen Marine von 68 (Ende 2013) auf 54 Einheiten (2020) reduziert werden soll. Dieser Einschnitt von knapp 20 Prozent betrifft dabei vor allem die Minenstreitkräfte, U-Boote sowie die Schnellboote, die zur Gänze außer Dienst gestellt werden sollen. Dass die Planungen eine leichte Erhöhung der Anzahl von Korvetten und Fregatten vorsehen, ist den neuen Anforderungen an die deutsche Marine geschuldet. So verfolgt sie, etwa mit dem Bau der neuen Fregattengeneration des Typs 125, im Sinne der Transformation der Bundeswehr das Ziel, „die maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr einsatzorientiert weiterzuentwickeln". Die Devise ist heute daher nicht mehr „Breite vor Tiefe“, sondern „Tiefe vor Breite“. Zwar wird die Anzahl der Einheiten reduziert, aber dafür wird deren Aufgaben- und Fähigkeitsspektrum deutlich erweitert. Gleichzeitig bedeutet dies eine intensivere Nutzung der Einheiten, die im Rahmen von Konfliktverhütung und Krisenbewältigung theoretisch global eingesetzt werden sollen. Dieser neuen Anforderung trägt beispielsweise auch das Konzept des Besatzungsaustauschs Rechnung, das bereits regelmäßig praktiziert wird.

In der Theorie und angesichts des sinkenden Verteidigungshaushalts klingen diese exemplarischen Bestandteile und Konzepte des Transformationsprozesses durchaus plausibel und vielversprechend.
Doch wie so oft wird die Theorie hier von der Wirklichkeit eingeholt.

Spätestens seit September diesen Jahres ist bekannt, dass die Ausrüstung der Bundeswehr zum Teil erhebliche Mängel aufweist.
Davon besonders betroffen ist auch die Marine, der momentan kein einziger ihrer 22 „Sea Lynx“-Helikopter für den Einsatz zur Verfügung steht. Neben dem „Sea Lynx“ verfügt die Marine theoretisch auch über den „Sea King“ als Bordhubschrauber. Die Helikopter dieses Typs haben allerdings ebenfalls mit technischen Problem zu kämpfen und stehen daher momentan auch nicht für Einsätze zur Verfügung. Der „NH90“ als Nachfolgemodell für die beiden völlig veralteten Modelle ist noch nicht einmal beschlossene Sache und befindet sich daher noch in weiter Ferne. Die Problematik der nicht einsatzbereiten Hubschrauber dürfte die Marine also noch eine Weile beschäftigen.

Deutsche Boardingsoldaten beim Abseilen von einem Sea Lynx".
(Quelle: marine.de)
Dabei sind Bordhubschrauber für die aktuellen Einsätze der Marine, zu deren Hauptbestandteilen größtenteils die Aufgabe der Seeraumüberwachung gehört, im Grunde unverzichtbar. Zwar ist die Überwachung eines größeren Seegebietes auch mithilfe eines Schiffsradars möglich, aber zur näheren Identifikation eines Objekts ist, besonders in einem von zahlreichen zivilen, kleineren Booten befahrenen Seegebiet wie der Küste Somalias, ein Bordhubschrauber absolut notwendig.
Ihre fehlende Einsatzbereitschaft könnte also dazu führen, dass die Marine ihren Auftragsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Aber auch die Anzahl der schwimmenden Einheiten liegt, gemessen an den gegenwärtigen (Bündnis-) Verpflichtungen der deutschen Marine, am absoluten Minimum. Die Tatsache, dass einige veraltete Einheiten außer Dienst gestellt werden sollen, obwohl die Nachfolgemodelle, wie beispielsweise das „Mehrzweckkampfschiff MKS 180“, noch in der Planungsphase feststecken, ist diesbezüglich ebenfalls nicht hilfreich.

Doch in Zeiten, in denen unbekannte (russische?) U-Boote in fremden Hoheitsgewässern auftauchen", geht es bei der Frage nach der Einsatzbereitschaft der deutschen Marine nicht nur darum, den Auftrag in fernen Gewässern und somit die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.
Auch ohne einen „Kalten Krieg 2.0“ beschwören zu wollen, ist die Frage danach, ob unsere Marine (im Gegensatz zur Luftwaffe) dazu in der Lage ist, die eigenen Territorialgewässer zu schützen und den Bündnisverpflichtungen im Rahmen der NATO nachzukommen, akuter als in den vergangen 25 Jahren.

So gilt der Slogan „Die Einen dürfen und können nicht, wir können, aber dürfen nicht“ für die deutsche Marine in Bezug auf das Können" heute wohl bestenfalls nur noch eingeschränkt. Die Frage nach dem „Dürfen" ist dabei eine ganz andere.



Moritz Müller ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind Außen- und (maritime) Sicherheitspolitik sowie völkerrechtliche Themen.