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Freitag, 2. Januar 2015

Ri[gh]t(es) of Passage – Russlands nördlicher Seeweg

Über Jahrhunderte kennzeichnete der „Drang zum Meer“ die russische Außen- und Expansions-politik. Peter der Große errichtete 1703 die neue Hauptstadt seines Reiches, St. Petersburg, bewusst am neu gewonnenen Zugang zur Ostsee. 
In zahlreichen Auseinandersetzungen wie etwa dem Großen Nordischen Krieg gegen Schweden hatte Russland diesen Zugang zur Ostsee erzwungen und behaupten können. Ebenso gelang es, sich im 18. Jahrhundert gegen den Widerstand des osmanischen Reiches und dessen Verbündeten, dem Krimkhanat, den Zugang zum Schwarzen Meer zu sichern und sich ein Gebiet um die Halbinsel Krim unter dem heute wieder populären Namen „Neurussland“ einzuverleiben. Im 19. Jahrhundert gelangte Russland schließlich an den Pazifik und sicherte sich im Vertrag von Aigun 1858 Teile der Mandschurei von China, in dessen Folge die Stadt Wladiwostok am japanischen Meer gegründet wurde.
Das historische Ziel, der Zugang zum Meer, war erreicht. Dennoch haben diese Erfolge bis heute für Russland einen entscheidenden Schönheitsfehler: Die Zugänge zu diesen Seegebieten waren und werden von anderen Staaten kontrolliert, die heute überwiegend Verbündete des Erzrivalen USA sind. So kontrollieren die Ausgänge aus der Ostsee die NATO-Staaten Dänemark, Norwegen und Deutschland. Der Durchgang vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer, der Bosporus, ist Hoheitsgebiet des NATO-Mitglieds Türkei (auch wenn die Durchfahrt bis heute im Vertrag von Montreux von 1936 geregelt bleibt) und auch der pazifische Raum wird von den US-Verbündeten Südkorea und Japan, wenn nicht von den USA selbst kontrolliert. Russland hat zwar Zugänge, aber alle stellen gewissermaßen „Kopfbahnhöfe“ dar. Nirgends kann Russland bedeutende internationale Seewege kontrollieren, sondern muss sich im Gegenteil mit der Kontrolle durch andere Staaten abfinden. Im Schwarzen Meer sieht Russland sich sogar immer stärker in die Defensive gedrängt. 2008 drohte gar die NATO-Mitgliedschaft der ehemaligen Sowjetrepubliken Georgien und Ukraine, wogegen Russland sich mutmaßlich auch militärisch zur Wehr setzte: So 2008 im kurzen Krieg gegen Georgien, den Russland für sich entscheiden konnte. Seither versucht es, die Konflikte der abtrünnigen Teile Abchasien und Süd-Ossetien mit dem georgischen Mutterland dauerhaft am köcheln zu halten, um die Aufnahme Georgiens in die NATO möglichst lange zu verhindern. Aktuell geschieht dies auch in der Ukraine, von der die für Russland strategisch so wichtige Krim-Halbinsel annektiert wurde und in deren Osten Russland ebenfalls einen Dauerkonflikt zu installieren droht. Dennoch scheint es derzeit nicht in der Lage zu sein, einen weiteren Kontrollverlust im Schwarzen Meer zu Gunsten der NATO dauerhaft aufzuhalten. Das zeigt die Aufgabe der Blockfreiheit durch das ukrainische Parlament im Dezember 2014 und die Bekräftigung der Absicht durch die ukrainischen Regierung, Teil des NATO-Bündnisses werden zu wollen.

Seerouten in der Arktis, Bildquelle: thearcticinstitute.org
Dennoch besitzt Russland einen gewaltigen Küstenstreifen der sich von Europa bis Asien, vom Atlantik zum Pazifik erstreckt. Sie umfasst im Westen die Barentssee, in der Mitte die Kara-See, die durch zwei Meerengen begrenzt ist, sowie die Laptev-See und im Osten die Ostsibirische See und das Bering-Meer. Wenn sie eisfrei ist, verkürzt diese Nordostpassage den Seeweg von Europa nach Asien im Vergleich zu der klassischen Route durch den Suez-Kanal erheblich. Darüber hinaus münden hier zahlreiche Flüsse, die weit in die wenig zugänglichen Gebiete der russischen Taiga hineinreichen, wie Petschora, Ob oder Jenissei und erschließen die rohstoffreichen Gegenden Sibiriens, des Ural-Gebietes oder des Fernen Ostens Russlands. Darüber hinaus liegen in den Seegebieten selbst, vor allem der Kara-See, bedeutende Rohstoff-Vorkommen, deren Erschließung Russland derzeit in Angriff nimmt.
Bislang wurde die Passage schon in überschaubarem Umfang genutzt, vor allem zu Sowjetzeiten. Die wirtschaftliche Nutzung muss aber meist von Eisbrechern abgesichert werden und ist wegen des rauen Klimas auch sonst aufwendig und teuer. So ging mit dem Zerfall der Sowjetunion ein erheblicher Verlust der Infrastruktur einher, weil Eisbrecher nicht mehr betrieben wurden und Häfen wie Dikson stark an Einwohnern verloren und verfielen. Auch militärstrategisch war die Passage nie gänzlich unbedeutend, auch wenn sie von Überwasser-Einheiten nur in eng begrenztem Umfang befahren werden konnte. So nutzte 1940 sogar die deutsche Kriegsmarine die Nordostpassage, um mit Hilfe russischer Eisbrecher den Hilfskreuzer „Komet“ in den Pazifik zu überführen, der dort Handelskrieg gegen die alliierte Schifffahrt führte. Im Kalten Krieg waren es vor allem die strategischen Atom-Uboote der Sowjet-Marine, die die langgestreckten Hoheitsgewässer nutzten, um möglichst unerkannt in die Weiten der Meere zu entkommen, auch wenn dieser Vorteil durch die zahlenmäßige Überlegenheit amerikanischer Jagd-Uboote reduziert wurde.

Rohstoffe in der russischen Arktis, Bildquelle: thearcticinstitute.org

Mit dem Abschmelzen des nordpolaren Eises verbessert sich die Schiffbarkeit heute aber stetig weiter. 2013 wurden bereits über 70 kommerzielle Komplett-Passagen gezählt, eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren.
Für Rohstoffnationen wie Norwegen wäre dieser Seeweg eine Möglichkeit, die asiatischen Märkte etwa in Japan schneller bedienen zu können. Vor allem aber die eigenen russischen Ressourcenlagerstätten (mehr als 90% der russischen Rohstofflagerstätten entfallen auf den arktischen und subarktischen Raum) könnten deutlich besser ausgebeutet werden, gerade der Transport von Flüssiggas (LNG) durch Spezialschiffe erlebt seit einigen Jahren einen regelrechten Boom. Das wäre vor allem im Hinblick auf den rasant wachsenden asiatischen Energiemarkt für Russland attraktiv, das bisher durch sein Pipeline-Netz vor allem den westeuropäischen Markt im Auge hatte.
LNC-Tanker in der Nordostpassage 2014
Bildquelle: worldmaritimenews.com
Die bisherige Infrastruktur im Fernen Osten Russland lässt nämlich insgesamt noch stark zu wünschen übrig. So gilt etwa die Transsibirische Eisenbahn als deutlich überlastet und der Transport über den Seeweg wäre eine dringend nötige Ergänzung.
Die wachsende Bedeutung der Nordostpassage hat Russland erkannt und unterstreicht dies durch eine deutliche Erweiterung der rechtlichen Regelungen für seinen „nördlichen Seeweg“. So versucht die russische Regierung, die Meerengen umfassender zu kontrollieren, obwohl ihre Durchfahrt, selbst in der Kara-Straße, nach dem Seerechtsübereinkommen eigentlich nicht in die russische 12-Meilen-Zone fällt. Man behilft sich mit Anweisungen zu Eisbrecher- oder Lotsenpflicht oder generellen Sicherheitsbestimmungen. Dies musste etwa 2013 das Greenpeace-Schiff „Arctic Sunrise“ erfahren, dem die russischen Behörden mit Verweis auf angeblich mangelnde Eisgängigkeit die Einfahrt in die Kara-See verweigerten.
Nach der klassischen Seemachts-Definition von Sam Tangredi müsste Russland mit der Nordostpassage einen entscheidenden Trumpf im Ärmel haben. Bisweilen ist sogar von einem neuen russischen Suezkanal die Rede. Stimmt das?

Die Suezroute und die Nordostpassage im Vergleich
Bildquelle: usni.org

Die entscheidende Voraussetzung wäre, dass sich das Verkehrsaufkommen und damit die Bedeutung des Seeweges noch erheblich steigert. Bislang bleibt der Suezkanal die wichtigste Verbindungsstrecke zwischen Ost und West mit jährlich über 18.000 Passagen. Daran dürfte sich auch so schnell nichts ändern. Der Grund liegt vor allem in dessen ganzjähriger Nutzung und der Planbarkeit, denn die Nordostpassage kann in den Wintermonaten nicht befahren werden und niemand kann zuverlässig vorhersagen, in welchem Monat das Eis weit genug zurückgegangen ist, um eine sichere Durchfahrt gewährleisten zu können. Denn auch wenn das Eis im Mittel zurückgeht, besteht eine erhebliche Schwankungsbreite.
Darüber hinaus sind wegen fehlender Häfen kaum Zwischenstopps und damit kaum Handelsmöglichkeiten vorhanden. Die Durchfahrt würde – anders als auf der Suezroute – weitgehend als Nonstop-Passage erfolgen. Das macht sie für die Reeder unattraktiver, weil die Schiffe möglichst komplett ausgelastet sein sollten, was auf langen Strecken komplizierter ist.

Daneben erwächst dem russischen nördlichen Seeweg mit dem Abschmelzen des Eises auch zusätzliche Konkurrenz in Form der Nordwest-Passage durch das kanadische Archipel, die zwar auf der Referenz-Strecke von Yokohama nach Rotterdam 1000 Seemeilen länger und schwieriger ist, aber auch Russlands Spielraum, mit seinem Seeweg Machtpolitik zu betreiben, erheblich einengt.
Welcher Reeder würde sich schon einem willkürlichen russischen Durchfahrtsregime unterwerfen wollen, wenn es genug Ausweichmöglichkeiten gibt?
Öl- und Gasvorkommen in der Kara-See, Quelle: rosneft.com
Zu guter Letzt kann Russland zwar die Zugänge zum Kara-Meer kontrollieren, aber im europäischen Nordmeer, mit der Dänemark-Straße zwischen Island und Grönland und weiter zwischen Island, den Färöern und den Shetlandinseln übernehmen wieder die NATO-Staaten. Im Osten muss man sich die Kontrolle der Beringstraße mit den USA, im japanischen Meer mit Japan und Südkorea teilen. Außerdem verläuft der direkteste Weg nördlich an der Kara-See vorbei, sodass die Kara-Straße ohnehin nur befahren wird, wenn die Eisverhältnisse zu schlecht sind. Dann aber ist eine Durchfahrt meist insgesamt so schwierig, dass sie ohnehin nur schwer zu realisieren wäre.
Darüber hinaus erfordert die wirtschaftliche Nutzung der Gebiete des nördlichen Seeweges erhebliche Investitionsanstrengungen. Nicht nur um die klimatischen Herausforderungen in den Griff zu bekommen, sondern auch um hausgemachte Probleme zu beseitigen: So wurden ausgemusterte Atom-Uboote der Sowjetmarine einfach im Kara-Meer versenkt, ausgerechnet dort, wo man zukünftig nach Öl und Gas bohren will. Diese Risiken müssen erst einmal umfangreich beseitigt werden, bevor man sich überhaupt an die nicht weniger kostenintensive Ausbeutung wagen kann. Partner ExxonMobil ist 2014 bereits abgesprungen.
Es bleibt also fraglich, ob Russland angesichts niedriger Ölpreise und der finanziellen Krise in die das Land derzeit abrutscht, diese Investitionen überhaupt noch schultern kann und ob sie sich dann wirtschaftlich überhaupt rechnen.

Russischer Kreuzer "Peter der Große" in der Arktis
Bildquelle: militaryphotos.net

Dennoch bietet sich für Russland die Möglichkeit, im Handel mit dem asiatischen Raum, vor allem China, eine deutlich größere Rolle zu spielen als zuvor. Das gilt insbesondere für den Handel mit fossilen Rohstoffen wie Flüssiggas, der Russland von dem zweischneidigen Schwert der Gasversorgung anderer Staaten durch Pipelines über Drittstaaten (etwa Ukraine) unabhängiger macht. So kann Russland besser einen globalen Markt bedienen, anstatt von den Abnehmern in Europa abhängig zu sein, die sich ihrerseits ja gerade aus der russischen Gasabhängigkeit befreien wollen. Auch für China dürfte eine Alternativroute nicht unattraktiv sein. Für die traditionelle Suez-Kanal-Strecke haben EU und NATO mit den Marineoperationen „Ocean Shield“, „ATALANTA“ und „Enduring Freedom“ deutlich gemacht, dass sie die Kontrolle über diesen Seeweg auch militärisch abzusichern bereit sind. Sie richten sich zwar gegen Terrorismus und Piraterie, implizieren aber dennoch, dass man sich diese Passage auch geopolitisch nicht streitig machen lässt. Als erklärte Neu-Seemacht mit einem ambitionierten Flottenprogramm könnte China mit seinem russischen Partner also eine Alternativroute vor allem im Bereich der eigenen Rohstoffversorgung kontrollieren.

Entwicklung der Frachtraten auf der Nordostpassage:
Steigend, aber noch nicht auf dem Niveau der Sowjetzeit
Quelle: arctic-lio.com


Auch wenn die Nordostpassage kaum zum zweiten Suez-Kanal und Russland dadurch ebenso wenig zu einer neuen Seesupermacht aufsteigen wird, erlangt die russische Föderation doch eine Reihe neuer Möglichkeiten und einen deutlich besseren maritimen Spielraum. Das mag nicht so sehr gelten, wenn man den Fokus auf Europa legt, vielleicht aber dann, wenn man ihn stattdessen Richtung Asien und vor allem auf China lenkt. Zum Schluss sollte man sich auch vor Augen führen, dass über dem Suez-Kanal immer das Damokles-Schwert einer islamistischen Bedrohung schwebt. Der Klimawandel wird nicht nur den Eisgürtel des nördlichen Polarmeeres beeinflussen, sondern zu einem gewissen Grad auch die politische Stabilität in Nordafrika. Für den Fall der Fälle hat Russland also kein falsches Ass im Ärmel. 



Knut Kollex studiert Politikwissenschaft, schleswig-holsteinische und nordeuropäische Geschichte an der CAU Kiel. Zu seinen Interessenschwerpunkten zählen - neben maritimen Themen - Fragen der Staatlichkeit und die Analyse politischer Risiken.  

Räume für Titanen aus Stahl - Offshore-Förderplattformen als Ursachen für Konflikte

Sie wiegen Zehntausende und kosten Milliarden. Offshore Bohrinseln sind Städte, die nicht auf dem Territorium eines Landes stehen. Auf ihnen leben Menschen und von ihnen leben Menschen. Seit sechzig Jahren bringen sie für unsere Zivilisation Öl und Gas – Energie. Bild: Oilguru
 Riesen aus Stahl. Beine, so dick wie ein Haus und so lang wie die höchsten Wolkenkratzer. Ein Körper, durchzogen von Rohren und Kabeln mit nur einem Zweck: Öl aus Tiefen zu fördern, die einen Menschen schon hundertfach zerquetscht hätten, bevor er zu ihnen gelangt wäre: Offshore Bohrinseln. Es sind Titanen, die unsere Zivilisation tragen, indem sie uns mit Öl, Gas und bald auch Metallen versorgen. Und die neusten Titanen kosten Hundertsechzigtausend Dollar – jeden Tag.
Hunderte Menschen leben auf ihnen: Handwerker, Ingenieure, Köche und die, die die Wäsche machen für die Handwerker, Ingenieure und Köche. Es sind kleine Städte auf dem Meer. Und das Meer ist ein lebensbedrohlicher Ort. Seit Menschen Offshore nach Öl und Gas bohren, fürchten sie Stürme und technische Fehler. Doch nach und nach gewinnt der Mensch mit neuer Technik den Kampf gegen die Kräfte der Natur. Heute sind Offshore Plattformen vor den Naturgewalten weitesgehend sicher und die Natur muss ihrerseits Fehler der Betreiber ausbaden. 2010 führte ein Defekt an der Plattform Deepwater Horizon zur größten Ölverschmutzung derGeschichte.
Für den Bürger an Land war die Deepwater Horizon Katastrophe auch die letzte und einzige Geschichte, die er über Offshore-Förderanlagen mitbekommen hat. Die Plattformen waren schon länger sturmfest geworden, es gab nichts anderes von Besonderheit im regelmäßigen Geschäft auf hoher See, bis 2010 die Katastrophe kam.
Der Kampf gegen die See ist weitesgehend gewonnen. Aber der Kampf um die See und um die besten Plätze für die Offshore Plattformen hat begonnen. Im Frühjahr letzten Jahres sendete China zwei seiner schlagkräftigsten Kriegsschiffe, die Kunlunshan und die Jinggangshan in das Südchinesische Meer, vor die vietnamesische Küste. Sie sollten eine Ölplattform schützen, die China dort platzieren wollte.  An Weihnachten gab Israel bekannt, dass es vier Fregatten anschaffen will, die eingesetzt werden sollen, um Israels Offshore Plattformen im Mittelmeer zu schützen. Zu diesem Zweck patrouillieren seit 2012 große Teile der israelischen Marine dort. Kanada baut entgegen aller Klischees über seinen friedliebenden Nationalcharakter eine Marine auf, die in der Arktis kanadische Ansprüche vor alle gegen Russland verteidigen soll, das seinerseits Teile seines Militärs in die nördlichsten Bereiche seines Landes verlegt.
Das zeigt: Industrialisierte Staaten sehen den bewaffneten Kampf um Ressourcen auf hoher See als realistische Zukunft und wollen darauf vorbereitet sein. Längst sehen sie nicht mehr nur Terroristen als Gefahr für die maritime Sicherheit, sondern andere Staaten. Israel fürchtet Angriffe der Marinen seiner Nachbarstaaten auf seine Energieversorgung. China will seine Ansprüche gegen alle anderen asiatischen Staaten durchsetzen: Japan im Osten und Vietnam, Korea, Malaysia, die Philippinen aber auch Indonesien im Süden. Die berühmt-berüchtigte Neun-Punkte-Linie Chinas überlagert sich hier mit den Anspruchszonen, die durch das UN-Seerechtsabkommen von 1982 festgelegt worden waren. Noch ist der Arktische Rat offiziell optimistisch, dass sie die Arktis friedlich aufteilen können.
Auf dem ganzen Erdball führt die Knappheit der Rohstoffe dazu, dass die Staaten auf hohe See schauen, um die Versorgung ihrer Zivilisation mit Wärme, Transportmitteln und allerlei elektronischen Gerätschaften sicherzustellen. Ein Blick auf den Globus und eine Linien, die man zweihundert Meilen von jeder Landmasse zieht, zeigen die Sphären der Wirtschaftsinteressen der Küstenstaaten. Jede kleine Insel löst eine zweihundert Meilen Zone aus. In diese Zone mindestens können die Staaten ihre staatliche Souveränität ausweiten wollen.
"The whole issue of 'economic waters' actually triples the size of Israel, but also creates strategic threats not only concerning the rigs and those working there, but also a threat to Israel's energy supply," said a senior naval officer. "A possible strike against the rigs is a nightmare scenario." Zitat: Haaretz 9. Jan. 2012; Bild: Rigzone.com
Das 21. Jahrhundert wird mit wirtschaftlicher Prosperität einhergehend erleben, wie Staaten ihre Territorial verankerte Souveränität auf Bereiche der hohen See übertragen wollen. Kann das Völkerrecht Schritt halten?
Die Gründe für Konflikte verstärken sich. Bald ist es nicht nur Öl und Gas, das Offshore gefördert wird: auch Metalle verbergen sich in den Tiefen der Meere - und alle wollen ein Stück vom Kuchen. Aber gleichzeitig verstärken sich auch die Gründe für eine friedliche Belegung der Konflikte: So eine Offshore Plattform mit all der dazugehörigen Infrastruktur wird Milliarden von Dollar kosten. Zusätzlich kommt der durch die gewonnenen Rohstoffe riskierte Nutzen für die Volkswirtschaft. Wenn alle Staaten solche Plattformen besitzen, sollten sie sich gegenseitig nicht die Risikokosten erhöhen wollen. Logisch wäre daher eine friedliche Einigung zum Nutzen aller Beteiligter. Aber irrationales Verhalten kann diese Rechnung immer stören. Und ein Staat, der keine Offshore Plattformen hat, hat auch nichts zu verlieren, und alles zu gewinnen, wenn er die Arterie der Wirtschaft seines Gegners auf hoher See kappen kann.
Die Konflikte auf hoher See werden zunehmen, während die Staaten ihre Interessensphären gegeneinander abzugrenzen versuchen. Es bleibt die Frage zu untersuchen, ob die Vermehrung der Offshore Anlagen als Katalysator für die Entwicklung des Völkerrechts dienen kann. Milliarden-Dollar Investments und die Versorgungssicherheit der Weltwirtschaft sollte als Interesse Vorrang haben vor nationalistischen Kurzsichtigkeiten und so den Frieden auf See bewahren.
Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.

Freitag, 28. November 2014

Russland entsendet Truppen in die Arktis. Eine weitere Zuspitzung des Grenzstreits?



                                                    Quelle: Wikimedia.org

Auch in diesem Jahr kam es international wieder zu einigen territorialen Auseinandersetzungen, die die maritime Sicherheit bedrohen. Immer noch gibt es auf unseren Meeren und Ozeanen viele unklare Grenzstrukturen. 
Ein Erfolg ist zu verbuchen. So hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag Anfang diesen Jahres nach einem langwierigen Streit endlich ein Urteil über den maritimen Grenzverlauf zwischen Peru und Chile festgelegt und somit hier die Debatten beendet. Beide Seiten zeigten sich mit dem Urteil einigermaßen zufrieden.

Andere Grenzen bleiben weiterhin sehr umstritten und werden in nicht allzu ferner Zukunft möglicherweise zu Konflikten führen. Vor kurzem hat Russland einen großen Schritt zur Verdichtung eines maritimen Grenzkonflikts gemacht - es hat erstmalig Truppen in die Arktis entsendet.Der „Seefahrerblog“ berichtete hierüber Anfang des Monats beiläufig. Die Truppen sollen sich bis Ende diesen Jahren entlang der gesamten arktischen Küste einrichten, das gesamte Gebiet zwischen Murmansk bis zur Tschuktschen-Halbinsel soll abgedeckt werden. Nach offiziellen Angaben seien die Soldaten lediglich vor Ort um die Region vom reichlich vorhandenen Abfall zu befreien, es handele sich um eine reine „Naturschutz-Aktion“.

Was könnte aber tatsächlich hinter dieser Maßnahme stecken?

Kurz zuvor hatte Kannada erneut seine vermeintlichen Ansprüche auf Teile der Arktis öffentlich deutlich gemacht. Man kann hier also durchaus von einem zumindest teilweise reaktivem Verhalten Russlands ausgehen. Bereits 2007 haben die Russen als erstes ein U-Boot in das Polarmeer geschickt um dort ihre Flagge auf den Grund des Polarmeers am Nordpol zu stoßen und so ihre Ansprüche aufmerksamkeitswirksam auch visuell sehr deutlich zu machen. Ihrer Auffassung nach steht ihnen ein Großteil des arktischen Gebiets schon allein deshalb zu, da es über den "Lomonossow-Rücken" eine Fortsetzung des russischen Kontinentalschelfs gäbe. Das umstrittene Gebiet umfasst immerhin fast 1,2 Millionen Quadratkilometer - ein Gebiet etwa zweimal so groß wie Frankreich. 
Über die Ressourcen, die hier zu finden sein könnten kann bislang nur spekuliert werden. Es wird aber davon ausgegangen, dass sich unter dem Eis ein zweiter Naher Osten verbirgt, der dem „Besitzer“ etwa 30 % der globalen und Gas und etwa 13% der Ölreserven, zusichern könnte. Schon im vergangenen Jahr hatte Russland, aller Kritik zum Trotz, seine sich im Nordpolarmeer befindende Offshore-Öl-Plattform "Priraslomnaja" in Betrieb genommen. Im Laufe dieses Jahres wurde auch schon mit der Auslieferung des vor Ort geförderten Öls begonnen. Der Streit schwelt zwischen Dänemark, welches ebenfalls eine Verbindung zu dem Gebiet nachzuweisen versucht, Norwegen, den USA, Großbritannien und Kanada. Natürlich hat jede dieser Nationen ein großes Interesse an dem fast unerschlossenen rohstoffreichen Gebiet. 

Solange sich das Eis noch im Prozess des Schmelzens befindet schwelt die Auseinandersetzung weiter vor sich hin. Schon jetzt ist das Eis aber so weit zurückgegangen, das die Region zumindest ein paar Monate im Jahr schiffbar ist - was Russland auch schon für seine Öltransporte nutzt. Aber, dass hier ein Wettstreit hervorbeschworen wird, der auch in einen ernsthaften Konflikt führen könnte, zeigt sich unter anderem an den aktuellen Bemühungen Russlands.

Wohin mag er führen, wenn die Flächen endgültig frei liegen?

Das Russland daran gelegen ist seinen Einflussbereich zu erweitern hat bereits die kontinentale Entwicklung der letzten Jahre und vor allem dieses Jahres klar aufgezeigt. 

Da hier aber nicht nur Machtinteressen vertreten werden, sondern auch ein immenser wirtschaftlicher Nutzen zur Debatte steht scheint ein Konflikt, welcher Art und Intensität bleibt noch offen, unausweichlich. 


K.Busch ist Studentin im Masterstudiengang Politikwissenschaft (Modernes Regieren) und International Vergleichende Soziologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Montag, 17. November 2014

Kalter Krieg reloaded? Wenn das Völkerrecht baden geht...

Bildquelle: APA/EPA/RIA Novosti/Alexei Nikolsky

Kant sagte sinngemäß einmal, dass die Freiheit des Einzelnen dort ende, wo die Freiheit des anderen beginne. Man kann dies ohne Probleme als ein Prinzip des Völkerrechts sehen: Das Territorium eines Staates darf durch einen anderen nicht verletzt werden. Noch ein wenig genauer definiert dies Artikel 2 §1 des Internationalen Seerechtsübereinkommen (SRÜ):

Die Souveränität eines Küstenstaats erstreckt sich jenseits seines Landgebiets und seiner inneren Gewässer sowie im Fall eines Archipelstaats jenseits seiner Archipelgewässer auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird.

Laut schwedischer Regierung gibt es nun handfeste Beweise für das Eindringen eines russischen U-Boots – um eine friedliche Durchfahrt im Sinne des Artikel 17 SRÜ sowie Artikel 20 speziell U-Boote betreffend handelt es sich dabei nicht, da ein U-Boot eine militärische Waffe darstellt und es sich um eine geheime Aktion handelte von der keine schwedische Behörde Kenntnis besaß -  in schwedisches Hoheitsgebiet. Margot Wallström, schwedische Außenministerin, sprach von einer „sehr großen Bedrohung“. Erinnerungen an Vorfälle aus den Zeiten des Kalten Krieges werden wach. So etwa an jene von 1981/82, die zu schweren Verstimmungen zwischen den beiden Ostseeanrainern führten.

Was hat nun also ein russisches U-Boot, falls es tatsächlich eines war (stichhaltige Beweise  zu finden, war auch in vorigen Fällen keine Stärke der Schweden), vor der schwedischen Küste zu suchen? Natürlich kann es auch einfach sein, dass die Mannschaft am Bord des U-Boots einfach nur zu viel Wodka getrunken hatte und daher ausversehen in fremde Gewässer gelangte. Diese These scheint aber mehr als gewagt. Da der russische Machtapparat unter Putin eine Beteiligung dementiert, wird wohl ein dichter Nebel – wie er häufig über der Ostsee zu finden ist – über der ganzen Geschichte hängen bleiben. Unklarheit ist aber immer gefährlich (Man denke nur an die Biowaffen im Irak, die als Kriegsgrund herangezogen wurden). Und wer sich die Entwicklungen der letzten Zeit vor Augen führt, den würde eine russische Beteiligung an dem Vorfall auch nicht weiter wundern. Kontinuierlich erweitert die russische Regierung ihre außenpolitischen Ambitionen. Die Einmischung auf der Krim ist sicherlich aus Sicht des Kremls legitim, auf der Basis des Völkerrechts aber nicht. Der Westen sollte sich dennoch in Zurückhaltung üben, war sein Vorgehen 1999 bei der Bombardierung Serbiens zumindest aus völkerrechtlicher Sicht umstritten.

Die Lektion von einem kleinen U-Boot irgendwo in der Ostsee muss nun wohl wie folgt lauten: Deutungshoheit über das Völkerrecht besitzt immer derjenige, der am meisten Macht besitzt. Dies gilt für Individuen genauso wie für Staaten. Die USA und ihre offenkundige Schwäche bieten Russland Spielraum für die Durchsetzung eigener Interessen. Dass dieses Spiel aber eine hohe Sprengkraft besitzt, sollte die globale Staatengemeinschaft mehr denn je auf die Grundsätze des Völkerrechts verpflichten. Denn die Lehren des Kalten Krieges, einer Welt in ständiger Nähe des Abgrunds, sollten allen trotz der Feierlichkeiten zum Mauerfall frisch im Kopf bleiben. Verständigung nicht Abgrenzung ist die Zauberformel. Die auf dem Gipfel der G-20 in Erwägung gezogenen Sanktionen gegen Russland sind möglicherweise nicht der richtige Weg.  Aber auch Putin sollte klar sein, dass man nur gemeinsam stark sein kann. Werden diese Prinzipen nicht in höchsten Ehren gehalten, geht mit Sicherheit mehr baden als nur ein kleines U-Boot: nämlich die globale Sicherheit. Und diese sichert den Wohlstand bedeutend mehr als eine Halbinsel im Schwarzen Meer.



Konstantin Stamm ist Student der Politik- und Geschichtswissenschaften an der CAU Kiel. Forschungsschwerpunkte im Master sind wirtschaftsnahe Themen wie die Entwicklung von Arbeitslosigkeit in OECD-Staaten oder der Zusammenhang zwischen Demokraftieform und Umverteilungspolitiken.