
Deutschland
musste dies 1972 leidvoll erfahren, als ein palästinensisches
Terrorkommando eine Gruppe israelischer Olympioniken als Geiseln nahm
und in der Folge elf Geiseln, ein Polizist und fünf Terroristen ihr
Leben verloren. Auch wenn die Geschichte der Austragung Olympischer
Spiele in Deutschland bisher kein Ruhmesblatt war (von den
1936 in Deutschland ausgetragenen Spielen ist in der kollektiven
Erinnerung nicht viel mehr als Riefenstahl-Ästhetik übrig
geblieben), will man
2024 einen neuen Versuch wagen.
2024
ist noch ein Jahrzehnt entfernt, dennoch muss man kein Prophet sein,
um vorhersagen zu können, dass auch hier das Thema Sicherheit eine
zentrale Rolle spielen wird – gerade in Deutschland. Eine
Katastrophe wie 1972 darf sich nicht noch einmal ereignen und man
darf vermuten, dass eine deutsche Bewerbung vor allem auch in dieser
Hinsicht auf den Prüfstand gestellt werden wird.
Mit
Sportereignissen von Weltformat hat man in Deutschland mittlerweile
allerdings viel Erfahrung gesammelt. Das Sommermärchen der
Fußball-WM 2006 läßt sich als eines der Beispiele dafür anführen,
dass man in Deutschland phantastische und vor allem sichere Spiele
durchführen kann. Viel Know-How lässt sich neben "König
Fußball" auch aus den vielen anderen Sportveranstaltungen oder
gesellschaftlichen Großereignissen ziehen, so dass Veranstaltungen
mit mehreren 10.000 Zuschauern und Teilnehmern heute ein
beherrschbares Problem darstellen. Beste Voraussetzungen also für
die deutsche Olympia-Bewerbung?
Zugegeben,
bei Veranstaltungen an Land hat man viel Erfahrung, viel Technik und
im Bedarfsfall auch genug Personal, um im Rahmen der Verhältnisse
sichere Spiele gewährleisten zu können.
Die
Olympischen Spiele haben allerdings noch eine zweite Komponente, für
die sich der Erfahrungsschatz eher in Grenzen hält. An die Bewerber
Hamburg und Berlin haben sich auch Kiel, Lübeck und
Rostock-Warnemünde zur Ausrichtung der Olympischen Segelwettbewerbe
angehängt. Sie alle werben mit Ihrer langen Erfahrung
bei großen Segelsportereignissen, doch die sind, was das Thema
Sicherheit anbelangt, kaum mit den herkömmlichen sportlichen
Großereignissen vergleichbar. Sicherlich ist die Kieler Woche sowohl
das größte Volksfest Norddeutschlands als auch eines der größten
Segelevents der Welt, aber beim Thema Sicherheit konzentriert man
sich hier vor allem auf die Landseite.
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49er vor Weymouth 2012 (Bildquelle: Wikimedia.org) |
Das
dürfte bei einer olympischen Veranstaltung allerdings anders
aussehen. Denn hier wären vor allem auch die Teilnehmer selbst, also
die Segler, ein gefährdetes Anschlagsziel, weil hier die Verknüpfung
mit dem „Markenzeichen Olympia“ am größten wäre. Das musste
man ja auch 1972 in München feststellen. Sicherlich führen
die Olympischen Segelwettbewerbe eher ein Schattendasein was ihre
öffentliche Wahrnehmung anbelangt – sind sie doch eher begrenzt
publikumswirksam und damit höchstens ein Ausweichziel. Aber sie sind
immer noch Teil der Gesamtolympiade, vor allem auch medial und weisen
damit ebenfalls ein hohes Gefährdungspotential auf.
Wenn
also die Hauptveranstaltungen an Land zu stark gesichert sind, könnte
es Versuche geben, stattdessen die Segelwettbewerbe ins Ziel zu
nehmen. Derartige Befürchtungen hat es auch 2012 bei den Olympischen
Spielen in London, bzw. den Austragungsorten des Segelsports vor
Weymouth gegeben – glücklicherweise ohne einen Anschlag. Dennoch
waren die Sicherheitsvorkehrungen hier immens.
Das
Problem der Spiele auf dem Wasser ist, dass es kaum
vergleichbare Sportereignisse dieser Größe gibt. Es ist also gerade
in dieser Hinsicht auch nur wenig Know-How vorhanden. Umso wichtiger
ist es, alle vorhandenen Ressourcen zu mobilisieren. Das ist 2012 in
London/Weymouth und 2008 in Peking/Qingdao vor allem dadurch
geschehen, dass man den Polizeikräften eine starke Unterstützung
seitens der jeweiligen Marine zur Seite gestellt hat. In und um
Weymouth etwa unterstützen mehr als 1000 Angehörige der
Streitkräfte die Polizei allein bei der Absicherung der Olympischen
Segelregatten.
Die
würden in Deutschland ebenfalls nicht auf hoher See stattfinden,
sondern auf den bewährten Regattabahnen, die man auch für andere
Segelereignisse nutzt – und die liegen direkt in den deutschen
Küstengewässern. Ein Einsatz deutscher Streitkräfte im Inneren,
auch im verfassungsrechtlich erlaubten Wege der Amtshilfe, ist
hierzulande allerdings ein sehr heikles Thema. Kriegsschiffe bei der
Kieler Woche sind ein willkommener Teil der Folklore, die Absicherung
eines Großereignisses hat aber eine ganz andere Qualität und würde
von der deutschen Öffentlichkeit auch ganz anders bewertet werden.
Militär im Bereich der inneren Sicherheit löst ein in dieser Form
sicher einmaliges nationales Unbehagen aus. Während die
Stationierung des über 170 Meter langen amphibischen
Landungsschiffes „Bulwark“ (u.a. als Kommandozentrale) vor der
englischen Küste auch dem kollektiven Sicherheitsgefühl dienlich
war, dürfte ein entsprechend sichtbares Aufgebot vor der deutschen
Küste – diplomatisch gesprochen – einige kritische Diskussionen
auslösen. Allerdings hat gerade im Bereich der maritimen Sicherheit
die Deutsche Marine Fähigkeiten und Technologien, die den maritimen
Polizeikräften aufgrund ihres alltäglichen Einsatzspektrums nicht
oder nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen, etwa was die
Anzahl an nötigen Wasserfahrzeugen anbelangt.
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HMS "Bulwark" (Bildquelle: Wikimedia.org) |
Darüber
hinaus stellt sich auch die Frage des personellen Aufwandes. Eine
„Bereitschafts-polizei See“ gibt es nicht, sie wird im Alltag
auch nicht gebraucht. Bei den Olympischen Spielen müssen zum einen Gefahren von See, etwa für Besucher-Areale, Hafenanlagen und
Unterkünfte abgewehrt werden können, das zeigten etwa die
Terrorangriffe auf Mumbai 2008. Andererseits muss aber auch die
Sicherheit auf See, beispielsweise für die Teilnehmer auf den
Regattabahnen, die Betreuer oder die Begleitschiffe mit Zuschauern
gewährleistet sein. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sportareale in
allen Städten in der Nähe von Schifffahrtsstraßen liegen.
Besonders Kiel ist mit der Zufahrt zum Nord-Ostsee-Kanal, der
weltweit meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße,
betroffen. Hier liegen die Wettkampf-Areale in direkter Nachbarschaft
zum Fahrwasser. Denkbar sind nicht nur Unfälle aufgrund eines
deutlich stärkeren Verkehrsaufkommens (Schaulustige aus aller Welt
mit eigenen Booten), sondern im Extremfall auch ein Anschlag z.B. mit
einem entführten Fracht- oder gar Tankschiff. Die Umsetzung eines
solchen terroristischen Vorhabens ist zwar durch
nachrichtendienstliche und polizeiliche Ermittlungen im Vorfeld, die
Verkehrs-Überwachung oder die Lotsen-Pflicht eher unwahrscheinlich,
aber auch nicht völlig unmöglich. Anschläge auf Hochhäuser mit
Verkehrsflugzeugen hätte man am Vorabend des 11. Septembers 2001
auch noch für ausgeschlossen gehalten.
In
allen genannten Fällen kann die Marine der Polizei ergänzende
Unterstützung leisten. Im Bereich der Seeraumüberwachung, mit
Waffentauchern zur Erkennung und Beseitigung von Sprengsätzen unter
Wasser oder mit Spezialkräften wie den Kampfschwimmern zur Befreiung
entführter Schiffe (auch wenn dies verfassungsrechtlich sicher der
heikelste Punkt wäre), um nur einige zu nennen.
Es
zeigt sich also, dass sich gerade die deutschen Bewerber mit einer
schweren Abwägung auseinandersetzen müssen. Wer den Olympischen
Spielen in Deutschland die maximale Sicherheit garantieren will, der
wird insbesondere für die Segelwettbewerbe nicht auf die Mithilfe
der Marine verzichten können. Ein Debakel wie 1972 kann man sich auf
keinen Fall erlauben. Im Gegenteil wird man bereits im Vorfeld klar
stellen müssen, dass man gewillt ist, alles zu tun, um sichere
Spiele zu gewährleisten.
Andererseits
muss man für dieses Unterfangen die Bevölkerung rechtzeitig
einbinden. Nicht nur, um die immensen finanziellen Kosten für die
Sicherheit der Spiele zu rechtfertigen, sondern auch die politischen
Kosten, die aus der Kritik an der Beteiligung der Bundeswehr
erwachsen werden, selbst wenn dies im Wege der Amtshilfe passiert.
Gerade hier müssen die Vorbehalte rechtzeitig und offen diskutiert
werden, um den erforderlichen Spagat bewerkstelligen zu können und
die Bevölkerung „mit ins Boot“ zu holen.
Den
Traum von einer dritten Ausrichtung Olympischer Spiele in Deutschland
können nicht nur Terroristen sprengen. Er kann auch dadurch
scheitern, dass die Bevölkerung nicht gewillt ist, die finanziellen
und politischen Kosten mitzutragen. Das ließ sich 2013 beim
Bürgerentscheid
zur Münchener Bewerbung für die Olympischen Winterspielen 2022
bereits anschaulich beobachten.
Knut Kollex studiert Politikwissenschaft, schleswig-holsteinische und nordeuropäische Geschichte an der CAU Kiel. Zu seinen Interessenschwerpunkten zählen - neben maritimen Themen - Fragen der Staatlichkeit und die Analyse politischer Risiken.
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