Montag, 8. Dezember 2014

Wenn alle das Selbe machen, sieht das Ergebnis trotzdem unterschiedlich aus. Eine Übersicht zu Piratenstatistiken.



Befasst man sich mit der modernen Piraterie, sei es aus beruflichen oder wissenschaftlichen Gründen, und versucht Zahlen und nähere Informationen zu aktuellen Vorfällen zu erhalten, dann stößt man fast zwangsläufig auf die verschiedenen frei zugänglichen Quellen. Obwohl alle den Anspruch haben, ein aktuelles und genaues Lagebild zu vermitteln, sind die Ergebnisse doch recht unterschiedlich. Mit diesem Beitrag möchte ich einen Überblick über vier der Angebote und deren Leistungsspektrum geben, deren Eigenheiten sich ungeübten Nutzern mitunter erst nach einiger Zeit zeigen. Dabei beschränke ich mich auf die jeweilige Vermittlung von Informationen zur Piraterielage. Die Beschreibungen der einzelnen Vorfälle sind in der Regel nicht nur inhalts- sondern auch wortgleich.

Auf der IMO-Websitefindet sich wohl die umfangreichste Datenbank und bietet zusätzlich eine nützliche Suchfunktion mit einer breiten Palette an Suchkriterien. Es werden alle Arten an Vorfällen und alle Weltregionen erfasst. Der Zugang erfordert jedoch eine einmalige Registrierung. Obwohl hier zu den Vorfällen die detailreichsten Informationen geboten werden, schleichen sich gelegentlich kleine Fehler ein. So war z. B. noch bis vor Kurzem der Raubüberfall auf die MSC MELATILDE in der Statistik zweimal aufgeführt. Leider ist die Statistik nicht auf dem aktuellsten Stand und es dauert mitunter mehrere Monate bis ein Vorfall aufgenommen wird. Da die Vorfälle chronologisch geordnet sind, gehen neue Einträge leicht unter und werden nicht gleich erkannt. 

Piraterie-Entwicklung 2005-2010 (Quelle: Wikipedia)

Beim ICC-CCS werden Berichte am schnellsten online gestellt. Auch hier werden weltweit die Pirateriefälle erfasst, jedoch noch zusätzlich Sichtungsmeldungen verdächtiger Fahrzeuge. Mit teilweise täglichen Updates ist dies die aktuellste der hier beschriebenen Quellen. Die Vorfälle sind in der Reihenfolge wie sie erfasst wurden, d.h. es lässt sich leicht nachvollziehen, wie lange es braucht, bis ein Angriff oder ein Raubüberfall registriert wird. Neben einer Weltkarte, auf der alle Vorfälle des laufenden Jahres farblich codiert eingetragen sind und mit einem Klick der zugehörige Report aufgerufen werden kann, gibt es diese Karte auch für das Vorjahr. Damit lassen nicht nur Schwerpunkte leicht erkennen, sondern auch die Verteilung und Konzentrationen der verschiedenen Vorfallsarten. 

Auf der Homepage des NATO Shipping Centre werden nur Vorfälle aus dem Einsatzgebiet der NATO-Operation Ocean Shieldaufgelistet und auch nur in einem deutlich geringerem Maße, als bei den anderenQuellen. Dies ist womöglich darauf zurückzuführen, dass Fälle erst ab einer höheren Intensität gewertet werden. Neben einer Karte, auf der aber nur Angriffe der letzten sieben Tage eingetragen wären, gibt es bei dieser Quelle Übersichtsgrafiken, die den Verlauf der Piratenaktivitäten der Jahre 2011-2013 nach Monaten und Vorfallsarten aufschlüsseln.

Das amerikanische ONI stellt jeweils als pdf eine wöchentliche Zusammenfassung der Vorfälle (PiracyAnalysis and Warning Weekly, PAWW) und eine der letzten vier Wochen (DokumentWorld Wide Threat to Shipping, WWTS) zur Verfügung. Leider ist der Veröffentlichungsrhythmus mitunter sehr unregelmäßig und die PAWWs sind nicht archiviert. Ein Archiv der WWTS-Berichte findet sich nur über Umwege. Im PAWW werden nach den Gebieten „Horn of Africa“, „Gulf of Guinea“ und „Southeast Asia“ sortiert die Piraterievorfälle, die Zahl der entführten Schiffe und eine Wettervorhersage gegeben. Für das Seegebiet Horn von Afrika/Indischer Ozean gibt’s es neben der reinen Wettervorhersage auch eine grafische Darstellung der Wahrscheinlichkeit für Piratenbootoperationen. Die Positionen der Vorfälle sind in Übersichtskarten der einzelnen Seegebiete eingetragen und zu jedem Gebiet gibt es eine Vergleichstabelle mit den Zahlen verschiedener Vorfallsarten der jeweiligen Woche, Vorwoche, des Monats und Vormonats der Jahre 2014-2011. Das WWTS-Dokument basiert weitestgehend auf dem PAWW. Die Einteilung der geographischen Gebiete ist ein wenig anders und es sind die Piraterievorfälle aller Weltregionen, also z.B. auch solche aus der Karibik oder, theoretisch, der Ostsee (Unterpunkt D) aufgelistet. Gelegentlich werden vom ONI auch Vorfälle verzeichnet, die bei den anderen Diensten nicht vermeldet werden. In den Anhängen finden sich noch eine Beschreibung zu den verwendeten Definitionen und eine Auflistung der genutzten Quellen.

Piraterie weltweit (Quelle: Wikipedia)

Auf eine Beurteilung der einzelnen Seiten verzichte ich an dieser Stelle, zumal mitunter über bloße Statistiken hinausgehende Informationen geboten werden. Je nach Anwendungszweck sind einige Kriterien wichtiger als andere und entsprechend unterscheiden sich die Seiten in ihrem Nutzen für den Anwender. Vor einem Vergleich der unterschiedlichen Statistiken ist mitunter eine erhebliche Datenaufbereitung notwendig, da sich die Definitionen der Vorfallsarten unterscheiden und die Angaben zu einem Vorfall in Details unterscheiden, die leicht zur Verwirrung führen können. Beispielsweise kann die Zeit in LT (local time) oder UTC (Universal time, Coordinated) angeben sein, was je nach Vorfallszeit auch ein anderes Datum ergibt. Es sei noch erwähnt, dass, so gut die Dienste sein mögen, von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.

Tore Wethling hat an der Universität Kiel Politikwissenschaft studiert. Er arbeitete anschließend  zwei Jahre für ein deutsches maritimes Sicherheitsunternehmen als Analyst und wertete unter anderem Pirateriemeldungen aus.

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