Freitag, 28. November 2014

Russland entsendet Truppen in die Arktis. Eine weitere Zuspitzung des Grenzstreits?



                                                    Quelle: Wikimedia.org

Auch in diesem Jahr kam es international wieder zu einigen territorialen Auseinandersetzungen, die die maritime Sicherheit bedrohen. Immer noch gibt es auf unseren Meeren und Ozeanen viele unklare Grenzstrukturen. 
Ein Erfolg ist zu verbuchen. So hat der Internationale Gerichtshof in Den Haag Anfang diesen Jahres nach einem langwierigen Streit endlich ein Urteil über den maritimen Grenzverlauf zwischen Peru und Chile festgelegt und somit hier die Debatten beendet. Beide Seiten zeigten sich mit dem Urteil einigermaßen zufrieden.

Andere Grenzen bleiben weiterhin sehr umstritten und werden in nicht allzu ferner Zukunft möglicherweise zu Konflikten führen. Vor kurzem hat Russland einen großen Schritt zur Verdichtung eines maritimen Grenzkonflikts gemacht - es hat erstmalig Truppen in die Arktis entsendet.Der „Seefahrerblog“ berichtete hierüber Anfang des Monats beiläufig. Die Truppen sollen sich bis Ende diesen Jahren entlang der gesamten arktischen Küste einrichten, das gesamte Gebiet zwischen Murmansk bis zur Tschuktschen-Halbinsel soll abgedeckt werden. Nach offiziellen Angaben seien die Soldaten lediglich vor Ort um die Region vom reichlich vorhandenen Abfall zu befreien, es handele sich um eine reine „Naturschutz-Aktion“.

Was könnte aber tatsächlich hinter dieser Maßnahme stecken?

Kurz zuvor hatte Kannada erneut seine vermeintlichen Ansprüche auf Teile der Arktis öffentlich deutlich gemacht. Man kann hier also durchaus von einem zumindest teilweise reaktivem Verhalten Russlands ausgehen. Bereits 2007 haben die Russen als erstes ein U-Boot in das Polarmeer geschickt um dort ihre Flagge auf den Grund des Polarmeers am Nordpol zu stoßen und so ihre Ansprüche aufmerksamkeitswirksam auch visuell sehr deutlich zu machen. Ihrer Auffassung nach steht ihnen ein Großteil des arktischen Gebiets schon allein deshalb zu, da es über den "Lomonossow-Rücken" eine Fortsetzung des russischen Kontinentalschelfs gäbe. Das umstrittene Gebiet umfasst immerhin fast 1,2 Millionen Quadratkilometer - ein Gebiet etwa zweimal so groß wie Frankreich. 
Über die Ressourcen, die hier zu finden sein könnten kann bislang nur spekuliert werden. Es wird aber davon ausgegangen, dass sich unter dem Eis ein zweiter Naher Osten verbirgt, der dem „Besitzer“ etwa 30 % der globalen und Gas und etwa 13% der Ölreserven, zusichern könnte. Schon im vergangenen Jahr hatte Russland, aller Kritik zum Trotz, seine sich im Nordpolarmeer befindende Offshore-Öl-Plattform "Priraslomnaja" in Betrieb genommen. Im Laufe dieses Jahres wurde auch schon mit der Auslieferung des vor Ort geförderten Öls begonnen. Der Streit schwelt zwischen Dänemark, welches ebenfalls eine Verbindung zu dem Gebiet nachzuweisen versucht, Norwegen, den USA, Großbritannien und Kanada. Natürlich hat jede dieser Nationen ein großes Interesse an dem fast unerschlossenen rohstoffreichen Gebiet. 

Solange sich das Eis noch im Prozess des Schmelzens befindet schwelt die Auseinandersetzung weiter vor sich hin. Schon jetzt ist das Eis aber so weit zurückgegangen, das die Region zumindest ein paar Monate im Jahr schiffbar ist - was Russland auch schon für seine Öltransporte nutzt. Aber, dass hier ein Wettstreit hervorbeschworen wird, der auch in einen ernsthaften Konflikt führen könnte, zeigt sich unter anderem an den aktuellen Bemühungen Russlands.

Wohin mag er führen, wenn die Flächen endgültig frei liegen?

Das Russland daran gelegen ist seinen Einflussbereich zu erweitern hat bereits die kontinentale Entwicklung der letzten Jahre und vor allem dieses Jahres klar aufgezeigt. 

Da hier aber nicht nur Machtinteressen vertreten werden, sondern auch ein immenser wirtschaftlicher Nutzen zur Debatte steht scheint ein Konflikt, welcher Art und Intensität bleibt noch offen, unausweichlich. 


K.Busch ist Studentin im Masterstudiengang Politikwissenschaft (Modernes Regieren) und International Vergleichende Soziologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

Sonntag, 23. November 2014

Mission Erfüllt? "ATALANTA" und das Volvo Ocean Race




Sichere Seewege für freien Warenverkehr. Ein politisches Ziel aller erster Kajüte. Photo: Rick Tomlinson / Team SCA

Der Deutsche Bundestag hat im Mai diesen Jahres die Deutsche Beteiligung an der EUNAVFOR Mission „ATALANTA“ um ein weiteres Jahr bis Mai 2015 verlängert. Zwar ist diese Nachricht nicht neu, dennoch gibt es einen konkreten Anlass, sich mit dem Status, der Wirksamkeit und der Relevanz der Mission auseinander zu setzen.

Das Volvo Ocean Race ist eine der hochkarätigsten Veranstaltungen im professionellen (Segel)Sport. Auch wenn missbräuchlicher Umgang mit Superlativen häufig in eine Umkehrung des eigentlich anvisierten kommunikativen Akts resultiert, ist die Verwendung des Wortes "hochkarätig" an dieser Stelle durchaus angebracht: Sieben international besetzte Teams, finanziert durch transnational agierende Großkonzerne mit Budgets im zweistelligen Millionenbereich liefern sich einen neumonatigen Sprint um die Welt, mit den Ozeanen als ihre Rennstrecke. Die Crews werden während des Rennens eine Strecke von über 39.000 Seemeilen [über 72.000 KM] bewältigen, mit Etappenzielen in elf Staaten auf vier Kontinenten. Das Volvo Ocean Race ist damit in gewisser Weise die segelsportliche Manifestation einer globalisierten Welt.

Leichte Beute für Piraten 


Am vergangenen Donnerstag, dem 19.11.2014, ist die zweite Etappe des Volvo Ocean Race gestartet worden. Sie führt die Yachten von Kapstadt am Kap der Guten Hoffnung vorbei nach Abu Dhabi, Vereinigte Arabische Emirate. Die Teams segeln damit durch exakt diejenigen Gewässer, in denen die EUNAVFOR Operation "ATALANTA" der internationalen Handelsschifffahrt sicheres Geleit ermöglicht. Und sie müssen die Straße von Hormus passieren, die auf Grund des immensen Warenvolumens als besonders  gefährdeter, sog. "Choke Point" gilt. Käme hier die Schifffahrt zum Erliegen, wäre die gesamte Weltwirtschaft empfindlich getroffen. 
Es ist nach dem Rennen 2011/2012 das zweite Mal, dass die Rennleitung des Volvo Ocean Race diese gefährliche Route gewählt hat und ein klares Indiz für den Einfluss der VAE, die zudem das gleichnamige Team „Abu Dhabi Ocean Racing“ ins Rennen geschickt haben. Eine Großveranstaltung wie das Volvo Ocean Race kann auch auf solche Mittel heute nur schwer verzichten. Es gilt den Return on Investment für potentielle Sponsoren vor dem Hintergrund des Wirtschaftsstandortes Abu Dhabi zu vergrößern. Denn: trotz Spitzensport und vermeintlicher Seefahrer-Romantik ist das Volvo Ocean Race in erster Linie eine komerziell betriebene Sportveranstaltung. Namensgeber Volvo hat zur Realisierung der aktuellen Auflage tief in die Tasche greifen müssen. Alleine die Vorfinanzierung von sieben Baugleichen 65-Fuß Kohlefaser-Rennyachten, auf welchen das Rennen ausgetragen wird, dürfte den Konzern zwischen 15 und 20 Millionen Euro gekostet haben.

Gesteigerte Fallhöhe


Mit größerem monetären Einsatz steigt bekanntlich nicht nur das Gesamtrisiko, sondern auch die Fallhöhe derjenigen, die entsprechende Entscheidungen zu verantworten haben. Denn: Eine Rennyacht mit überlebensgroßer Werbung für einen internationalen Großkonzern ist für Piraten eine verlockende und leichte Beute, insbesondere in schwachwindigen Seegebieten wie vor Somalia. Es ist vor diesem Hintergrund mehr als beachtlich, dass sich Knut Frostad, CEO Volvo Ocean Race, dazu entschlossen hat, die Etappe von Kaptstadt nach Abu Dhabi durchsegeln zu lassen. Noch während der vergangenen Auflage 2011/2012 hatte Frostad eine andere Entscheidung treffen müssen
Die Teams verschwanden kurz nach dem Start buchstäblich von der Bildfläche und segelten durch eine sog. "Stealth Zone" zu einem entlegenen, sicheren Sammelpunkt, wo die Yachten auf einen Frachter geladen, und durch die Straße von Hormus gebracht wurden, bevor die Etappe fortgesetzt werden konnte. Nur die Rennleitung war über Details der Operation informiert. Diese archaisch anmutende Maßnahme schien 2011 im Angesicht der Lage vor und um Somalia angemessen, wie das nachfolgende Video eindrucksvoll unter Beweis stellt:




Im aktuellen Rennen wird auf Sicherheitsmaßnahmen dieser Art verzichtet. Ein weiterer Indikator dafür, dass die erhöhte Militärpräsenz der europäischen maritimen Einsatzkräfte im Seegebiet vor und um Somalia Wirkung zeigt. Denn: Angesichts des finanziellen Volumens des Volvo Ocean Races steht und fällt die mögliche Rendite der individuell getätigten Investitionen mit dem Erfolg des Rennens. Ein Übergriff durch Piraten auf eines der Teams hätte verheerende Folgen, nicht nur für die unmittelbar betroffenen Segler und Sponsoren, sondern auch für das Gesamtkonzept „Volvo Ocean Race“. 
Was für das Rennen gilt, gilt auch für die Weltwirtschaft: Die Gewährleistung sicherer Handelswege durch nationale und internationale Gewässer ist essentiell für den Fortbestand des globalen Wirtschaftssystems, wie es auch im kürzlich erschienenen Jahresbericht des deutschen Marinekommandos heißt. 

Lehren für die Zukunft


Das Volvo Ocean Race darf diesbezüglich als "Parabel" betrachtet werden, stellt es in seinem Kern doch den Geist einer wettkampforientierten, vollends globalisierten Welt dar, deren Wohlstand auf Handel beruht und von sicheren Seewegen abhängig ist. Auch wenn die Ursprünge für Piraterie – Ungleichverteilung zwischen Nord und Süd, Armut, Perspektivlosigkeit und mangelnde Bildung – noch lange nicht besiegt sind, ist es doch bemerkenswert, dass zumindest was das Seegebiet vor und um Somalia betrifft, angewandte politische Machtmittel innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraumes deutlich Wirkung zeigen. Ein Erfolg, der bei zukünftigen politisch geführten Außen- und Sicherheitspolitischen Debatten unbedingt zu berücksichtigen ist. Das wäre zumindest nicht nur wünschenswert, sondern im Geiste einer aufgeklärten Öffentlichkeit zwingend erforderlich. 


Bendix Hügelmann, B.A., ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, sowie Mitarbeiter am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Seine Studien- und Forschungsschwerpunkte bilden  politische Ökonomie, Globalisierungs- und Nachhaltigkeitsstudien sowie Seerecht und Maritime Sicherheit. 

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Die Frage nach der Einsatzfähigkeit der deutschen Marine

Die Frage nach der tatsächlichen Einsatzfähigkeit der deutschen Marine ist nun wirklich nicht neu. Vieles über dieses Thema ist in der jüngeren Vergangenheit schon gesagt und geschrieben worden. Trotzdem scheinen das Finden einer Antwort auf ebendiese Frage sowie das Ziehen folgerichtiger Rückschlüsse aus verschiedenen Gründen momentan besonders wichtig.

Die deutsche Marine zwischen Anspruch...
(Quelle: Deutsches Maritimes Institut e.V.)
So hat der neue Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, Anfang des Monats beispielsweise den Jahresbericht 2014 zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. Die Zusammenfassung dieses Berichts, in der zahlreiche Fakten und Zahlen aufgeführt werden, verdeutlicht erneut die herausragende Bedeutung des Welthandels für die Exportnation Deutschland und unterstreicht die daraus resultierende deutsche Abhängigkeit vom Seehandel.


...und Wirklichkeit?
(Quelle: fotocommunity.de)
Gleichzeitig geht aus dem Jahresbericht 2014 aber auch hervor, dass die Anzahl der Schiffe und Boote der deutschen Marine von 68 (Ende 2013) auf 54 Einheiten (2020) reduziert werden soll. Dieser Einschnitt von knapp 20 Prozent betrifft dabei vor allem die Minenstreitkräfte, U-Boote sowie die Schnellboote, die zur Gänze außer Dienst gestellt werden sollen. Dass die Planungen eine leichte Erhöhung der Anzahl von Korvetten und Fregatten vorsehen, ist den neuen Anforderungen an die deutsche Marine geschuldet. So verfolgt sie, etwa mit dem Bau der neuen Fregattengeneration des Typs 125, im Sinne der Transformation der Bundeswehr das Ziel, „die maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr einsatzorientiert weiterzuentwickeln". Die Devise ist heute daher nicht mehr „Breite vor Tiefe“, sondern „Tiefe vor Breite“. Zwar wird die Anzahl der Einheiten reduziert, aber dafür wird deren Aufgaben- und Fähigkeitsspektrum deutlich erweitert. Gleichzeitig bedeutet dies eine intensivere Nutzung der Einheiten, die im Rahmen von Konfliktverhütung und Krisenbewältigung theoretisch global eingesetzt werden sollen. Dieser neuen Anforderung trägt beispielsweise auch das Konzept des Besatzungsaustauschs Rechnung, das bereits regelmäßig praktiziert wird.

In der Theorie und angesichts des sinkenden Verteidigungshaushalts klingen diese exemplarischen Bestandteile und Konzepte des Transformationsprozesses durchaus plausibel und vielversprechend.
Doch wie so oft wird die Theorie hier von der Wirklichkeit eingeholt.

Spätestens seit September diesen Jahres ist bekannt, dass die Ausrüstung der Bundeswehr zum Teil erhebliche Mängel aufweist.
Davon besonders betroffen ist auch die Marine, der momentan kein einziger ihrer 22 „Sea Lynx“-Helikopter für den Einsatz zur Verfügung steht. Neben dem „Sea Lynx“ verfügt die Marine theoretisch auch über den „Sea King“ als Bordhubschrauber. Die Helikopter dieses Typs haben allerdings ebenfalls mit technischen Problem zu kämpfen und stehen daher momentan auch nicht für Einsätze zur Verfügung. Der „NH90“ als Nachfolgemodell für die beiden völlig veralteten Modelle ist noch nicht einmal beschlossene Sache und befindet sich daher noch in weiter Ferne. Die Problematik der nicht einsatzbereiten Hubschrauber dürfte die Marine also noch eine Weile beschäftigen.

Deutsche Boardingsoldaten beim Abseilen von einem Sea Lynx".
(Quelle: marine.de)
Dabei sind Bordhubschrauber für die aktuellen Einsätze der Marine, zu deren Hauptbestandteilen größtenteils die Aufgabe der Seeraumüberwachung gehört, im Grunde unverzichtbar. Zwar ist die Überwachung eines größeren Seegebietes auch mithilfe eines Schiffsradars möglich, aber zur näheren Identifikation eines Objekts ist, besonders in einem von zahlreichen zivilen, kleineren Booten befahrenen Seegebiet wie der Küste Somalias, ein Bordhubschrauber absolut notwendig.
Ihre fehlende Einsatzbereitschaft könnte also dazu führen, dass die Marine ihren Auftragsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Aber auch die Anzahl der schwimmenden Einheiten liegt, gemessen an den gegenwärtigen (Bündnis-) Verpflichtungen der deutschen Marine, am absoluten Minimum. Die Tatsache, dass einige veraltete Einheiten außer Dienst gestellt werden sollen, obwohl die Nachfolgemodelle, wie beispielsweise das „Mehrzweckkampfschiff MKS 180“, noch in der Planungsphase feststecken, ist diesbezüglich ebenfalls nicht hilfreich.

Doch in Zeiten, in denen unbekannte (russische?) U-Boote in fremden Hoheitsgewässern auftauchen", geht es bei der Frage nach der Einsatzbereitschaft der deutschen Marine nicht nur darum, den Auftrag in fernen Gewässern und somit die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.
Auch ohne einen „Kalten Krieg 2.0“ beschwören zu wollen, ist die Frage danach, ob unsere Marine (im Gegensatz zur Luftwaffe) dazu in der Lage ist, die eigenen Territorialgewässer zu schützen und den Bündnisverpflichtungen im Rahmen der NATO nachzukommen, akuter als in den vergangen 25 Jahren.

So gilt der Slogan „Die Einen dürfen und können nicht, wir können, aber dürfen nicht“ für die deutsche Marine in Bezug auf das Können" heute wohl bestenfalls nur noch eingeschränkt. Die Frage nach dem „Dürfen" ist dabei eine ganz andere.



Moritz Müller ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind Außen- und (maritime) Sicherheitspolitik sowie völkerrechtliche Themen.