Sonntag, 23. November 2014

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit – Die Frage nach der Einsatzfähigkeit der deutschen Marine

Die Frage nach der tatsächlichen Einsatzfähigkeit der deutschen Marine ist nun wirklich nicht neu. Vieles über dieses Thema ist in der jüngeren Vergangenheit schon gesagt und geschrieben worden. Trotzdem scheinen das Finden einer Antwort auf ebendiese Frage sowie das Ziehen folgerichtiger Rückschlüsse aus verschiedenen Gründen momentan besonders wichtig.

Die deutsche Marine zwischen Anspruch...
(Quelle: Deutsches Maritimes Institut e.V.)
So hat der neue Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Andreas Krause, Anfang des Monats beispielsweise den Jahresbericht 2014 zur maritimen Abhängigkeit der Bundesrepublik Deutschland vorgestellt. Die Zusammenfassung dieses Berichts, in der zahlreiche Fakten und Zahlen aufgeführt werden, verdeutlicht erneut die herausragende Bedeutung des Welthandels für die Exportnation Deutschland und unterstreicht die daraus resultierende deutsche Abhängigkeit vom Seehandel.


...und Wirklichkeit?
(Quelle: fotocommunity.de)
Gleichzeitig geht aus dem Jahresbericht 2014 aber auch hervor, dass die Anzahl der Schiffe und Boote der deutschen Marine von 68 (Ende 2013) auf 54 Einheiten (2020) reduziert werden soll. Dieser Einschnitt von knapp 20 Prozent betrifft dabei vor allem die Minenstreitkräfte, U-Boote sowie die Schnellboote, die zur Gänze außer Dienst gestellt werden sollen. Dass die Planungen eine leichte Erhöhung der Anzahl von Korvetten und Fregatten vorsehen, ist den neuen Anforderungen an die deutsche Marine geschuldet. So verfolgt sie, etwa mit dem Bau der neuen Fregattengeneration des Typs 125, im Sinne der Transformation der Bundeswehr das Ziel, „die maritimen Fähigkeiten der Bundeswehr einsatzorientiert weiterzuentwickeln". Die Devise ist heute daher nicht mehr „Breite vor Tiefe“, sondern „Tiefe vor Breite“. Zwar wird die Anzahl der Einheiten reduziert, aber dafür wird deren Aufgaben- und Fähigkeitsspektrum deutlich erweitert. Gleichzeitig bedeutet dies eine intensivere Nutzung der Einheiten, die im Rahmen von Konfliktverhütung und Krisenbewältigung theoretisch global eingesetzt werden sollen. Dieser neuen Anforderung trägt beispielsweise auch das Konzept des Besatzungsaustauschs Rechnung, das bereits regelmäßig praktiziert wird.

In der Theorie und angesichts des sinkenden Verteidigungshaushalts klingen diese exemplarischen Bestandteile und Konzepte des Transformationsprozesses durchaus plausibel und vielversprechend.
Doch wie so oft wird die Theorie hier von der Wirklichkeit eingeholt.

Spätestens seit September diesen Jahres ist bekannt, dass die Ausrüstung der Bundeswehr zum Teil erhebliche Mängel aufweist.
Davon besonders betroffen ist auch die Marine, der momentan kein einziger ihrer 22 „Sea Lynx“-Helikopter für den Einsatz zur Verfügung steht. Neben dem „Sea Lynx“ verfügt die Marine theoretisch auch über den „Sea King“ als Bordhubschrauber. Die Helikopter dieses Typs haben allerdings ebenfalls mit technischen Problem zu kämpfen und stehen daher momentan auch nicht für Einsätze zur Verfügung. Der „NH90“ als Nachfolgemodell für die beiden völlig veralteten Modelle ist noch nicht einmal beschlossene Sache und befindet sich daher noch in weiter Ferne. Die Problematik der nicht einsatzbereiten Hubschrauber dürfte die Marine also noch eine Weile beschäftigen.

Deutsche Boardingsoldaten beim Abseilen von einem Sea Lynx".
(Quelle: marine.de)
Dabei sind Bordhubschrauber für die aktuellen Einsätze der Marine, zu deren Hauptbestandteilen größtenteils die Aufgabe der Seeraumüberwachung gehört, im Grunde unverzichtbar. Zwar ist die Überwachung eines größeren Seegebietes auch mithilfe eines Schiffsradars möglich, aber zur näheren Identifikation eines Objekts ist, besonders in einem von zahlreichen zivilen, kleineren Booten befahrenen Seegebiet wie der Küste Somalias, ein Bordhubschrauber absolut notwendig.
Ihre fehlende Einsatzbereitschaft könnte also dazu führen, dass die Marine ihren Auftragsverpflichtungen nicht mehr nachkommen kann.

Aber auch die Anzahl der schwimmenden Einheiten liegt, gemessen an den gegenwärtigen (Bündnis-) Verpflichtungen der deutschen Marine, am absoluten Minimum. Die Tatsache, dass einige veraltete Einheiten außer Dienst gestellt werden sollen, obwohl die Nachfolgemodelle, wie beispielsweise das „Mehrzweckkampfschiff MKS 180“, noch in der Planungsphase feststecken, ist diesbezüglich ebenfalls nicht hilfreich.

Doch in Zeiten, in denen unbekannte (russische?) U-Boote in fremden Hoheitsgewässern auftauchen", geht es bei der Frage nach der Einsatzbereitschaft der deutschen Marine nicht nur darum, den Auftrag in fernen Gewässern und somit die internationalen Verpflichtungen zu erfüllen.
Auch ohne einen „Kalten Krieg 2.0“ beschwören zu wollen, ist die Frage danach, ob unsere Marine (im Gegensatz zur Luftwaffe) dazu in der Lage ist, die eigenen Territorialgewässer zu schützen und den Bündnisverpflichtungen im Rahmen der NATO nachzukommen, akuter als in den vergangen 25 Jahren.

So gilt der Slogan „Die Einen dürfen und können nicht, wir können, aber dürfen nicht“ für die deutsche Marine in Bezug auf das Können" heute wohl bestenfalls nur noch eingeschränkt. Die Frage nach dem „Dürfen" ist dabei eine ganz andere.



Moritz Müller ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind Außen- und (maritime) Sicherheitspolitik sowie völkerrechtliche Themen.


1 Kommentar:

  1. Gestern (26.11.2014) erschien auf marine.de ein Artikel zum NH90, dem Nachfolgemodell des "Sea King". Am veralteten "Sea Lynx" als Bordhubschrauber scheint die Marine übergangsweise zunächst doch noch festzuhalten. Zumindest wird er vorerst auch auf den neuen Einheiten der Klasse F125 weiter als Bordhubschrauber geführt.
    Inhaltlich dreht sich der Artikel vor allem um die Bedeutung sowie um Fähigkeiten und Vorzüge des NH90.

    Nachzulesen ist das Ganze unter folgendem Link: http://www.marine.de/portal/a/marine/!ut/p/c4/NYq7CsJAEEX_aGYDwqqdISKmTKOxG5MhDO4jDBNt_Hh3C--B05yLDywkestCJjlRwDuOkxyfH4ikQC_bOATGW_3NDFNObNXGyaR4UbKssGa1UMumWgrIjKNrutZ591_zPQz7S3_eed9d2wHXGE8_4B-9cg!!/

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