Mittwoch, 19. November 2014

Seenotrettung im Mittelmeer – Wenn Triton Mare Nostrum nicht ablöst, wer tut es dann?


Quelle. MINISTERO DELLA DIFESA



Triton, der Sohn Poseidons und der Amphitrites, ist bekannt dafür, dass er nach einem Wirbelsturm die in der Wüste gestrandeten Seefahrer zurück ins Meer zog. Ausgerechnet nach ihm wurde nun die neue FRONTEX-Mittelmeeroperation benannt. Sie unterstützt seit 1. November die im Herbst 2013 von der italienischen Marine und Küstenwache gestartete Seenotrettungsoperation Mare Nostrum. Letztere soll allerdings bis Ende 2014 eingestellt werden.

Operation Triton, auch bekannt als Frontex plus, geht auf die Einigung der damaligen EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström mit dem italienischen Innenminister Angelino Alfano vom 27. August 2014 zurück. Ursprünglich vorgesehen war lediglich die Ergänzung der italienischen Operation durch die Zusammenführung und Ausweitung der bereits existierenden Operationen Hermes und Aeneas. Ausdrücklich erkannte Malmström dabei die Herausforderungen angesichts der Flüchtlingsströme auf dem Mittelmeer an und erinnerte an die Katastrophe vom Oktober 2013. Die über 300 damals vor Lampedusa ertrunkenen Menschen waren nicht bloß der Startschuss für die italienische Rettungsoperation, sondern auch für eine intensive mediale Auseinandersetzung gewesen.
Der von den Italienern übernommene und bis hierhin eher undankbare Job der Rettung von 150.810 Menschen geht mit Ende Mare Nostrums nun de facto in die Hände der europäischen Grenzschutzagentur Frontex über. Die scheint sich gegen eine solche Verantwortung jedoch noch zu wehren: Schon Mitte August beteuerte man, dass das Budget der Agentur eine Übernahme der Operation keinesfalls zulasse. Frontex machte sich in der Vergangenheit außerdem eher mit menschenrechtswidrigen „Push back“-Aktionen einen Namen, bei denen Bootsflüchtlinge noch auf See abgefangen und zurück in ihre Herkunftsländer geschickt wurden. Die Agentur wird ihr Selbstverständnis in dieser neuen Operation also noch einmal gründlich überdenken müssen. Die Passion des Namensgebers könnte hierbei wohl als Inspiration für diese buchstäbliche Kehrtwende verstanden werden.

Skeptisch fallen jedoch die Erwartungen einschlägiger Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Pro Asyl aus. Nicht zuletzt Statements des Frontex Executive Directors Gil Arias, der – wohl ganz im Sinne der ursprünglichen Vereinbarung – feststellt, „the primary focus of operation Triton will be border control, […]”, tragen zu Befürchtungen bei, dass sich mit dem Ende der Operation Mare Nostrum erneut eine humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ankündigt. Auch Arias Eingeständnis, dass „[...] as in all our maritime operations, we consider saving lives an absolute priority for our agency”, lässt angesichts der bisherigen Praxis der Agentur wenig Raum für Hoffnung.

Hinzu treten starke Bedenken hinsichtlich der Ressourcenausstattung und des Mandats der Operation. Die finanzielle Ausstattung mit 2,9 Millionen Euro monatlich macht das Kräfteverhältnis zu Mare Nostrum deutlich. Ließ Italien sich seine Operation doch immerhin ca. 9 Millionen Euro kosten. Auch ein bekanntgewordenes, allerdings nicht öffentliches Triton-Konzept vom 28. August 2014 zeigt die engen Konturen der Operation deutlich auf. Insbesondere der geringere Aktionsradius, der sich auf die 30-Meilen-Zone vor der italienischen Küste beschränkt, könnte zu einem Risikofaktor werden. Das Aktionsfeld Mare Nostrums reichte seinerseits bis in lybische Hoheitsgewässer hinein. Darüber hinaus handelt es sich – anders als die von EU-Kommissarin Malmström beteuerte Einsicht in die Bedeutung der enormen italienischen Leistungen vermuten ließe – bei Triton ausdrücklich nicht um eine Rettungsoperation. Die Seenotrettung stellt demnach weniger Aufgabe und Ziel der Operation dar, vielmehr ist sie eine situationsbedingte Nebentätigkeit (“…taking into account that some situations may involve humanitarian emergencies and rescue at sea. Although Frontex is neither a search and rescue body nor does it take up the functions of a Rescue Coordination Centre…”). Damit kommt Frontex im Grunde nur ihrer ohnehin bestehenden Pflicht zur Lebensrettung gemäß der UN-Konvention SOLAS (Safety of Life at Sea) nach. Die Frage nach dem politischen Handlungswillen Europas in dieser Angelegenheit bleibt deshalb elementar.

Das Ende der Operation Mare Nostrum wird mithin eine eklatante Sicherheitslücke hinterlassen. Bei Triton handelt es sich um eine Grenzschutzoperation, die sich in der Öffentlichkeit mit dem Etikett der Mare Nostrum-Nachfolge wenn auch unfreiwillig schmückt. Wer sich an der irreführenden Namensgebung dennoch stört, der sei auf die noch mögliche Namenspartnerschaft mit der insbesondere im Mittelmeer beheimaten atlantischen Tritonschnecke hingewiesen. Diese hat zur Lösung der Problematik, welche alleine in diesem Jahr schätzungsweise 3.000 Menschenleben kostete, ähnlich viel beizutragen. Bei Strandspaziergängern ist sie jedoch sehr beliebt.



Simone Ludewig ist Studentin im Fach "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Theorien des Internationalen Rechts und Themen des europäischen Menschenrechtsschutzes.


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