Quelle. MINISTERO DELLA DIFESA |
Triton, der Sohn Poseidons und der Amphitrites, ist bekannt dafür, dass er
nach einem Wirbelsturm die in der Wüste gestrandeten Seefahrer zurück ins Meer
zog. Ausgerechnet nach ihm wurde nun die neue FRONTEX-Mittelmeeroperation benannt. Sie unterstützt seit 1. November
die im Herbst 2013 von der italienischen Marine und Küstenwache gestartete Seenotrettungsoperation
Mare Nostrum.
Letztere soll allerdings bis Ende
2014 eingestellt werden.
Operation Triton, auch bekannt als Frontex plus, geht
auf die Einigung
der damaligen EU-Kommissarin für Innenpolitik Cecilia Malmström mit dem
italienischen Innenminister Angelino Alfano vom 27. August 2014 zurück. Ursprünglich
vorgesehen war lediglich die Ergänzung der italienischen Operation durch die
Zusammenführung und Ausweitung der bereits existierenden Operationen Hermes und
Aeneas. Ausdrücklich erkannte Malmström dabei die Herausforderungen angesichts
der Flüchtlingsströme auf dem Mittelmeer an und erinnerte an die Katastrophe
vom Oktober 2013. Die über 300 damals vor Lampedusa ertrunkenen Menschen waren
nicht bloß der Startschuss für die italienische Rettungsoperation, sondern auch
für eine intensive mediale Auseinandersetzung gewesen.
Der von den Italienern übernommene und bis hierhin
eher undankbare Job
der Rettung von 150.810 Menschen geht mit Ende Mare Nostrums nun de facto in
die Hände der europäischen Grenzschutzagentur Frontex über. Die scheint sich
gegen eine solche Verantwortung jedoch noch zu wehren: Schon Mitte August
beteuerte man, dass das Budget der Agentur eine Übernahme der Operation keinesfalls zulasse. Frontex machte sich in der Vergangenheit außerdem eher
mit menschenrechtswidrigen „Push back“-Aktionen einen Namen, bei denen Bootsflüchtlinge noch auf
See abgefangen und zurück in ihre Herkunftsländer geschickt wurden. Die Agentur
wird ihr Selbstverständnis in dieser neuen Operation also noch einmal gründlich
überdenken müssen. Die Passion des Namensgebers könnte hierbei wohl als
Inspiration für diese buchstäbliche Kehrtwende verstanden werden.
Skeptisch fallen jedoch die Erwartungen einschlägiger
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Pro Asyl aus.
Nicht zuletzt Statements des Frontex Executive Directors Gil Arias, der – wohl ganz im Sinne der
ursprünglichen Vereinbarung – feststellt, „the primary focus of operation Triton will be
border control, […]”, tragen zu Befürchtungen bei, dass sich mit dem Ende der
Operation Mare Nostrum erneut eine humanitäre Katastrophe im Mittelmeer ankündigt.
Auch Arias Eingeständnis, dass „[...] as in all our maritime operations, we consider
saving lives an absolute priority for our agency”, lässt angesichts der bisherigen Praxis der Agentur wenig Raum für Hoffnung.
Hinzu treten starke Bedenken hinsichtlich der
Ressourcenausstattung und des Mandats der Operation. Die finanzielle
Ausstattung mit 2,9 Millionen Euro monatlich macht das Kräfteverhältnis zu Mare
Nostrum deutlich. Ließ Italien sich seine Operation doch immerhin ca. 9
Millionen Euro kosten. Auch ein bekanntgewordenes, allerdings nicht öffentliches
Triton-Konzept
vom 28. August 2014 zeigt die engen Konturen der Operation deutlich auf. Insbesondere
der geringere Aktionsradius, der sich auf die 30-Meilen-Zone vor der
italienischen Küste beschränkt, könnte zu einem Risikofaktor werden. Das Aktionsfeld
Mare Nostrums reichte seinerseits bis in lybische Hoheitsgewässer hinein. Darüber
hinaus handelt es sich – anders als die von EU-Kommissarin Malmström beteuerte
Einsicht in die Bedeutung der enormen italienischen Leistungen vermuten ließe –
bei Triton ausdrücklich nicht um eine Rettungsoperation. Die Seenotrettung stellt
demnach weniger Aufgabe und Ziel der Operation dar, vielmehr ist sie eine situationsbedingte Nebentätigkeit
(“…taking into account
that some situations may involve humanitarian emergencies and rescue at sea.
Although Frontex is neither a search and rescue body nor does it take up the
functions of a Rescue Coordination Centre…”). Damit kommt Frontex im Grunde nur ihrer ohnehin
bestehenden Pflicht zur Lebensrettung gemäß
der UN-Konvention SOLAS (Safety of Life at Sea) nach. Die Frage nach dem politischen
Handlungswillen Europas in dieser Angelegenheit bleibt deshalb elementar.
Das Ende der Operation Mare Nostrum wird mithin eine
eklatante Sicherheitslücke hinterlassen. Bei Triton handelt es sich um eine Grenzschutzoperation,
die sich in der Öffentlichkeit mit dem Etikett der Mare Nostrum-Nachfolge –
wenn auch unfreiwillig – schmückt. Wer sich an der irreführenden Namensgebung dennoch
stört, der sei auf die noch mögliche Namenspartnerschaft mit der insbesondere
im Mittelmeer beheimaten atlantischen Tritonschnecke hingewiesen. Diese hat zur
Lösung der Problematik, welche alleine in diesem Jahr schätzungsweise 3.000
Menschenleben kostete, ähnlich viel beizutragen. Bei Strandspaziergängern ist
sie jedoch sehr beliebt.
Simone Ludewig ist Studentin im Fach "Internationale Politik und
Internationales Recht" an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Ihre Forschungsschwerpunkte sind Theorien des Internationalen Rechts und Themen
des europäischen Menschenrechtsschutzes.
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