Es war zwischen 9 und 10 Uhr morgens am
zweiten Weihnachtstag 2004, also vor ziemlich genau 10 Jahren, als
sich das Wasser hunderte Meter vom Strand der im Norden Sumatras gelegenen
Provinz Aceh zurückzog. Die Bilder des kurz darauf folgenden
Tsunamis, der insgesamt vermutlich bis zu 280.000 Menschenleben forderte und weitaus mehr Menschen zu Obdachlosen werden ließ, gingen damals
wie kürzlich zum 10. Jahrestag um die Welt.
Dieses Unglück verdeutlichte nicht nur
die Notwendigkeit eines Frühwarnsystems zum Schutz der Menschen vor
solchen Naturkatastrophen in derart gefährdeten Regionen. Es war auch ein Beispiel für etwas, das leider allzu oft unter den Teppich gekehrt wird: die humanitären Hilfsleistungen der Bundeswehr.
Tsunamis – ein physikalisches
Phänomen mit Tücke
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Das Epizentrum des Seebebens vom 26. Dezember 2004... (Quelle: The University of Sydney) |
Tsunamis (japanisch, zusammengesetzt aus den Worten „große Welle“ und
„Hafen“) sind Riesenwellen, die aus vertikalen Bewegungen des
Meeresbodens, etwa Seebeben, Hangrutschen oder auch vulkanischen
Eruptionen, resultieren. Die zum Teil bis zu 30 Meter hohen Wellen
türmen sich allerdings erst in flacher werdenden Küstengewässern
auf, was sie für die Küstenbewohner besonders gefährlich macht.
Ist eine solche Riesenwelle in Sichtweite, bleibt den Menschen nur
wenig Zeit zu reagieren. Auf hoher See sind die sich mit bis zu 800
km/h (die Geschwindigkeit ist unter anderem abhängig von der
Wassertiefe) fortbewegenden Tsunamis kaum bemerkbar. Bereits der
japanische Name für dieses Phänomen deutet darauf hin, dass es vor
allem im pazifischen Raum vorkommt.
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... und der Wirkungsbereich des darauf folgenden Tsunamis. (Quelle: Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) |
Das Seebeben, welches dem Tsunami vom
26. Dezember 2004 vorausging, war eines der schwersten bisher gemessenen.
Die sich vom Epizentrum konzentrisch ausbreitenden und mitunter bis
zu 200 km langen Wellen erreichten die Küsten von Indien, Thailand,
Malaysia, Indonesien, Sri Lanka, der Malediven sowie Somalias und
Kenias.
Die Möglichkeiten eines
Frühwarnsystems
Mit dem Indischen Ozean war 2004 eine
Region betroffen, in der es, im Gegensatz zum pazifischen Raum, bis dato noch keine Frühwarnsysteme zur Tsunami-Erkennung
gab. Während Forscher am anderen Ende der Welt, nämlich im
Tsunami-Frühwarnzentrum von Hawaii (PTWC), dank ihrer Instrumente
bereits acht Minuten nach dem Seebeben über die drohende Gefahr Bescheid wussten,
war ein Großteil der Menschen in den konkret bedrohten Gebieten bis
zuletzt ahnungslos.
Aufgrund nicht vorhandener Informationsketten,
des Fehlens einer Übersicht über die jeweiligen Ansprechpartner
sowie unklarer Abläufe im Ernstfall versickerten die wahrscheinlich
lebensrettenden Informationen aus Hawaii irgendwo im Nirgendwo.
Als Konsequenz der Katastrophe von 2004
wurde im indonesischen Jakarta mit deutscher Hilfe ein Tsunami-Frühwarnzentrum aufgebaut,
das heute mithilfe eines Bojen-Systems im Indischen Ozean die Daten
sämtlicher Erdbeben in der Region aufzeichnet und gegebenenfalls
eine Tsunami-Warnung herausgibt. Diese soll dann spätestens 10-15
Minuten nach der ersten Aufzeichnung eines Bebens via Fernsehen und
Rundfunk sowie durch Imame von den Minaretten der Moscheen
verbreitet werden. In der Theorie sollen sich die Menschen dann auf
neu errichtete Schutztürme oder in höher gelegene Regionen
flüchten.
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Funktionsweise des 2005/06 errichteten Frühwarnsystems "GITEWS". (Quelle: Deutsches Geoforschungszentrum) |
Am 26. Dezember 2004 dauerte es knapp eine halbe Stunde
bis die erste Welle die Küste der Region Aceh erreichte. Nach
heutigem Stand hätten die Menschen also knapp 15 Minuten gehabt, um
sich in Sicherheit zu bringen.
Die Bundeswehr im humanitären Hilfseinsatz
Bereits zwei Tage nach der Katastrophe
begann die Bundeswehr aktiv mit der humanitären Hilfe. Ein Airbus A310 MedEvac flog in den ersten Tagen nahezu pausenlos
verletzte Touristen zurück nach Deutschland und versorgte sie
bereits in der Luft medizinisch.
Ab dem 06. Januar 2005 begann der
Aufbau des mobilen Rettungszentrums des Sanitätsdienstes in der
Region Aceh, das nur wenige Tage später seine Arbeit aufnehmen
konnte. Die größte Gefahr drohte zu dem Zeitpunkt durch den
Ausbruch einer Seuche oder einer Epidemie, wie beispielsweise Malaria.
Schließlich waren die überfluteten Gebiete eine hervorragende
Brutstätte für Mücken, welche die Krankheit übertragen können.
Am 13. Januar traf schließlich der
Einsatzgruppenversorger (EGV) „Berlin“, der bereits am 30. Dezember
2004 aus der Operation „Enduring Freedom“ vor dem Horn von Afrika
herausgelöst wurde, vor Aceh ein. Das Schiff hatte ein
„Marineeinsatzrettungszentrum“ (MERZ) an Bord, in dem auch
kompliziertere Operationen sowie genauere medizinische Analysen
vorgenommen werden können.
Der EGV "Berlin" mit den Containern des MERZ (direkt unterhalb der Brücke) an Bord. (Quelle: Wikipedia) |
Insgesamt hat die Bundeswehr in ihrem
bis Mitte März 2005 andauernden und bis dato größten humanitären
Hilfseinsatz nicht nur dabei geholfen das General Hospital in der
Provinzhauptstadt Banda Aceh wieder aufzubauen, sondern auch 2311 Menschen
behandelt, 854 Patienten stationär aufgenommen, 196 Operationen
durchgeführt, 3429 Malaria-Impfungen und 89 MedEvac-Flüge
vorgenommen sowie Geräte und Medikamente im Wert von 2,7 Millionen
Euro aus ihren Beständen an die indonesischen Behörden übergeben.
Dass die Bundeswehr eben nicht nur in
bewaffneten Konflikten, sondern auch für derartige humanitäre Hilfsmissionen eingesetzt wird und in diesem Bereich einen wichtigen
Beitrag leistet, gerät leider immer wieder schnell in Vergessenheit.
Moritz
Müller ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik
und Internationales Recht" an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Seine Schwerpunkte sind
Außen- und (maritime) Sicherheitspolitik sowie völkerrechtliche
Themen.
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