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Im
Oktober 2012 schlug die Verurteilung von zehn somalischen Piraten durch das
Landgericht Hamburg nach mehr als 100
Verhandlungstagen hohe Wellen. Nach einem unerwartet zähen Verfahren verhängte
das Gericht Haftstrafen zwischen sieben und zwei Jahren über die Männer, die im
April 2010 das Containerschiff „Taipan“ und seine 15 köpfige
Besatzung überfallen hatten. "Wir
maßen uns hier an, Recht zu sprechen nach unseren deutschen Vorstellungen über
Menschen, deren Lebenssituation wir nicht mal annähernd nachvollziehen können",
erklärte einer der beteiligten Strafverteidiger. Dennoch verurteilte im April
2014 auch das Landgericht Osnabrück einen 44 Jährigen wegen
Beteiligung an der Entführung eines Chemietankers im Mai 2010. Die deutsche
Justiz scheint sich also keineswegs mit der Logik einverstanden zu erklären,
dass vor dem Hintergrund des failed-state
Somalia im Golf von Aden effektive Straffreiheit für brutale Übergriffe auf
deutsche Handelsschiffe herrscht.
Trotz allem spricht vieles gegen die Verhandlung
von Pirateriefällen, die sich in mehr als 5.000 km Entfernung ereignet haben, vor deutschen Gerichten. Deutschland ist nicht zuletzt auch
deswegen zurückhaltend bei der Annahme der Verfahren, weil es die Einreise
somalischer Krimineller ansonsten streng zu verhindern sucht. Dass man sich mit
diesem Bemühen in bester Gesellschaft befindet, macht auch der Vorschlag des UN-Sonderberichterstatters Jack Lang deutlich, der für die schnellstmögliche „Somalisierung“ der
Strafverfolgung plädiert. Nötig seien Investitionen in das somalische
Rechtssystem zur Errichtung von drei spezialisierten Gerichten in Somaliland,
Puntland und in Arusha sowie in drei Gefängnissen. Investitionen, die angesichts
des desolaten Zustandes des Staates nicht zu Unrecht als riskant beurteilt werden.
Die militärische Absicherung des Gebiets, unter anderem durch die EU-Operation ATALANTA,
scheint zumindest kurzfristig wirkungsvoller zu sein. So gab es in diesem Jahr
nur drei Piratenangriffe in der Region.
Die
Frage danach, wie mit aufgegriffenen Verdächtigen zu verfahren ist, kann
militärisch allerdings nicht beantwortet werden. Solange Somalia die
entsprechenden Strukturen fehlen, verlassen die EU und ihre Mitgliedsstaaten
sich deswegen auf bilaterale Abmachungen und Auslieferungsabkommen mit Kenia,
Mauritius und den Seychellen. Rückführungsabkommen wurden außerdem auch mit Somaliland
und Puntland geschlossen. Durch diese könnten verurteilte Piraten theoretisch
nach Somalia rückgeführt werden. Dem dürfte jedoch regelmäßig ein Anspruch auf
Asyl nach Haftverbüßung entgegenstehen.
Dass
jedoch auch die Auslieferung an afrikanische Staaten im Rahmen eines
Rechtshilfeabkommens keineswegs unproblematisch ist, macht eine Entscheidung
des OVG NRW in Münster deutlich. Die Übergabe eines
somalischen Verdächtigen an die kenianische Justiz sei demnach unter anderem menschenrechtswidrig
gewesen. Zwar habe Kenia in einem inoffiziellen Brief die menschenwürdige Inhaftierung
zugesichert. Aufgrund verschiedener Botschaftsberichte hätte jedoch trotzdem
klar sein müssen, dass der Gefangene in Kenia unter den typischen
Haftbedingungen, die von katastrophalen hygienischen Verhältnissen sowie schlechter
Wasser- und Nahrungsversorgung geprägt waren, zu leiden haben würde. Die
Übernahme der deutschen Jurisdiktion durch Kenia – ein „Freundschaftsdienst“,
den Kenia sich unter anderem auch von den USA und Großbritannien gut bezahlen lässt – dürften
die Richter dadurch wohl vorerst beendet haben.
Nichtsdestoweniger muss zur
Lösung des Piraterieproblems eine effektive Strafverfolgung gewehrleistet
werden. Das regelmäßige Abhalten von Verfahren nach dem Vorbild des Hamburgs Landgerichts,
welches nicht weniger als 20 Verteidiger, 3 Dolmetscher, 2 Schöffen, 3 Richter
und 2 Staatsanwälte im Wert von insgesamt mehr als einer Millionen Euro
beschäftigte, kann dabei wohl kaum zielführend sein. Schließlich dürften die
Wahrnehmung und somit auch die Abschreckungswirkung solcher Verfahren in der
betreffenden Region entsprechend gering sein. Die Lösung kann deshalb nur in der
„Somalisierung“ der Strafverfolgung liegen. Die 25 Vorschläge von Lang liefert
hierfür einen ersten Entwurf, der sich mit geschätzten Kosten von weniger als
25 Millionen US-Dollar sogar als relativ günstig erweisen würde.
Das Problem der
organisierten Kriminalität, über die insbesondere Hintermänner in Staaten wie
Großbritannien und Kanada maßgeblich an der somalischen Piraterie beteiligt
sind, dürfte damit jedoch kaum zu lösen sein. Hier stellt sich hoch
entwickelten Rechtssystemen eine Aufgabe, in welche ihre Kapazitäten
möglicherweise effektiver investiert wären.
Simone Ludewig ist Studentin im Fach "Internationale Politik und
Internationales Recht" an der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Ihre Forschungsschwerpunkte sind Theorien des Internationalen Rechts und Themen
des europäischen Menschenrechtsschutzes.
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