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Freitag, 12. Dezember 2014

Offshore-Windparks – Gefährlich exponiert? Teil 2/2: Das Risiko

In Teil 1 dieser Überlegung wurde eine Bedrohung der Offshore-Windparks plausibel gemacht. In Teil 2 wird überlegt, wie schwer ein solcher Schlag einer feindlichen Macht Deutschland treffen würde.
 
Wie weh würde Deutschland ein solcher Angriff auf die Offshore-Anlagen tun? Welchen Schaden könnte solch ein Angriff ausrichten, abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden? Wie groß wäre die Einbuße an Stromerzeugungskapazitäten? In 2015 wäre die Einbuße noch minimal. Zurzeit befinden sich fast alle Offshore-Anlagen im Bau oder in der Planung. Einer der wenigen bereits fertig gestellten Windparks „BARD Offshore 1“ erzeugt unter Volllast eine Leistung von 400 MW. Zum Vergleich: Die leistungsstärksten, noch betriebenen, deutschen Atomkraftwerke Isar 2 und Brokdorf erzeugen jeweils rund 1400 MW. Die aber rund um die Uhr.
Offshore-Windpark Kapazitäten, Quelle: Offshore-Stiftung

Ein Windrad kann nicht Strom erzeugen, wenn zu viel oder wenn zu wenig Wind weht. Dennoch sind die Stunden, die ein Windrad unter Volllast arbeiten kann auf hoher See weitaus höher als für Windräder an Land. Derzeit liegt die Zahl der Volllaststunden für Offshore-Windräder bei rund 4000 Stunden pro Jahr.

Stellen wir eine Rechnung an. Sind die Windparks fertiggestellt, soll in der deutschen Nordsee 3500 MW Leistung erzeugt werden können. Wie groß ist der zukünftige Anteil der Offshore-Windenergie in der Nordsee an der zukünftigen Gesamtstromerzeugung in Deutschland? Dieser Anteil wäre gute Zahl, um das sicherheitspolitische Risiko der Offshore Windenergie zu bewerten. Wird der Anteil hoch sein, wird auch das Risiko hoch sein. Denn wie festgestellt, wird es recht einfach sein, die Anlagen anzugreifen.

Die Energiewende wird vorangetrieben. Jede nutzbare Fläche der deutschen Außenwirtschaftszone in der Nordsee soll bebaut werden. Die angepeilte Gesamtleistung der Offshore-Windparks in der Nordsee soll rund 3500 MW betragen, oder 3,5 GW. Würde durch koordinierte Angriffe auf die Knotenpunkte der Windparks die gesamte Leistung ausfallen, welche Einbuße an Stromerzeugungskapazitäten muss Deutschland dann bewältigen?

Kaum Auswirkungen, selbst bei Totalausfall


Wir wollen die Rechnung überschlagsartig anstellen und vor allem unabhängig von der Diskussion, ob die Energiewende praktisch bis 2050 durchzusetzen ist – unter der Annahme also, dass alle gravierenden technischen und ökonomischen Schwierigkeiten bewältigt werden. Die Bundesregierung veranschlagt für 2008 einen Stromverbrauch von 25% unter dem Niveau von 2008. 2008 „verbauchte“ Deutschland ca. 617 Mrd. kWh, 2050 soll es folglich 463 Mrd. kWh benötigen. 463 Mrd. kWh müssen also 2050 auch mindestens erzeugt werden, um den „Verbrauch“ zu decken.

Rechnen wir nun aus, wie viel die ausgebauten Windparks mindestens erzeugen werden. Sind alle Parks errichtet und angeschlossen, sollen sie unter Volllast 3500 MW erzeugen. Bei 4000 Stunden Volllastbetrieb im Jahr macht das 14 Mrd. kWh. Nehmen wir zusätzlich noch an, dass die restlichen Stunden im Jahr durchschnittlich die Hälfte davon erzeugt werden kann, aufgrund von schwächerem oder zu starkem Wind. Nehmen wir also noch 7 Mrd. kWh hinzu. Nach dieser konservativen Überschlagsrechnung könnten die errichteten Windparks rund 21 Mrd. kWh im Jahr erzeugen.

Windrad, Quelle: Siemens
Nehmen wir die Zahlen zusammen: Der anvisierte Stromverbrauch 2050 sei 463 Mrd. kWh. 21 Mrd. kWh könnten durch alle geplanten Windräder in der deutschen Außenwirtschaftszone erzeugt werden. Die Offshore-Windkraftanlagen werden nach dieser hier angestellten Rechnung also rund 5% des deutschen Stromverbrauchs decken. 5% sieht nicht sonderlich dramatisch aus.

Einen Ausfall von 5% der deutschen Energieversorgung bei Totalausfall der Offshore-Windenergie dürfte Deutschland im Konfliktfall verkraften können. Sicherlich, der Ausfall von einem Stromerzeugungsäquivalent von zweieinhalb Kernkraftwerken wird etwas unangenehm sein, doch ist es nichts, was die Stromversorgung Deutschlands in die Knie zwingen würde.

Eine Attacke auf die Offshore-Windkraftanlagen wird sicherheitspolitisch nicht dramatisch sein. Der höchstmöglich anzunehmende Beitrag des Offshore-Windstroms zur Stromversorgung Deutschlands 2050 wird bei 5% liegen. Ein Ausfall dieser 5% wird zu verkraften sein. Der Ausfall von diesen 5% der Stromerzeugung muss im Konfliktfall auch verkraftet werden: ein wirksamer Schutz ist wegen des völkerrechtlich garantierten Rechts auf friedliche Durchfahrt auch nicht zu leisten.

Sicherheitspolitisch werden Offshore-Anlagen nach dieser Rechnung kaum eine Rolle spielen, weil sie energiepolitisch kaum eine Rolle spielen werden. Voraussichtlich werden die Anlagen zukünftig nur der Berufsschifffahrt, den Seglern, den Piloten und den Umweltschützern und dem Arbeitsschutz viel geben: Und zwar Anlass zum Ärger.

Eine modifizierte Rechnung – und doch ein großes Risiko?


Die Bundesregierung aber nimmt an, dass im Jahr 2050 Offshore-Windräder 25% der Stromerzeugung erbringen werden. Diese Annahme kann nur stimmen, wenn ein gewisser technologische Fortschritt vorausgesehen wird: Erstens müsste die Zahl der Volllaststunden stark steigen. Zweitens müsste der Wirkungsgrad der aufgestellten Räder stark erhöht werden. Sollte das tatsächlich passieren, steht Deutschland dann doch ein großes strategisches Risiko ins Haus. In ungefähr 35 Jahren könnten dann, wenn der Plan der Bundesegierung erfüllt wird, ein Viertel der deutschen Stromerzeugung auf hoher See stehen. Exponiert, ungeschützt, militärisch leicht und billig störbar.

Sind die Offshore-Windparks nun aus sicherheitspolitischer Sicht ein großes Risiko für Deutschland? Es wird stark davon abhängen, wie sich die Windkraft-Technologie entwickelt. Die Steigerung des Wirkungsgrads der Windräder gilt es zu beobachten.

Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Offshore-Windparks – Gefährlich exponiert? Teil 1/2: Die Bedrohung

Windpark "Alpha Ventus", Quelle: Siemens

Die Energiewende schreitet voran


Fast zwei Wochen ist es her, da gab Eon bekannt, zukünftig nur noch Strom aus erneuerbaren Energiequellen erzeugen zu wollen. Das Geschäft mit Kernkraft, Kohle und Gas soll in eine neue Gesellschaft ausgegliedert und nach und nach abgewickelt werden. Einer der größten Energiekonzerne Europas setzt damit die von der Politik geforderte „Energiewende“ konsequent um: Zukünftig keine fossilen Energieträger mehr nutzen, dafür Sonne, Wind, Bio- und Geothermie. Heute machen „Erneuerbare“ 25% der Stromversorgung Deutschlands aus. Bis 2050 – in rund 35 Jahren – soll Deutschlands Stromversorgung zu 80% mit „Erneuerbaren“ gedeckt werden.

Strategischer Vorteil durch Energiewende?


Die Politik feiert die Energiewende nicht nur als Sieg für die Umwelt. Deutschland gewinne mit der Energiewende auch einen strategischen Vorteil: Weil Deutschland in Zukunft kaum noch von fossilen Brennstoffen – Kohle, Öl und Gas – abhängig sein soll, fiele für fremde Mächte Erpressungspotential weg. Die Energiewende bringe Energie-Autarkie, wenn nicht für Deutschland, zumindest für Europa und seinem Energiebinnenmarkt. Um strategische Auseinandersetzung um unsere Energieversorgung bräuchten wir uns in Zukunft weitaus weniger Sorgen machen, so die Folgerung. Russlands Gas und das Öl des Mittleren Ostens soll uns egal werden. Damit müssten wir in Zukunft auch weniger Rücksicht auf die Interessen der Länder legen, die Öl und Gas fördern. Heimischer Strom ersetzt Strom aus Öl und Gas fremder Länder. Soweit die behauptete Logik für sicherheitspolitische Vorteile der Energiewende. Doch stimmt diese Logik? Folgt aus der Erzeugung des Stroms im eigenen Land, dass man das Energiethema als „heißes“ Thema der Sicherheitspolitik „abkühlen“ kann?

Zukünftig soll Energie in Deutschland dezentraler erzeugt werden. Allein bis 2012 wurden über 1,2 Mio. Solaranlagen auf den Dächern der Deutschen montiert. Jeder Haushalt kann zum Kraftwerk werden. Kleine Bio- und Geothermie-Anlagen erzeugen ebenfalls regional Energie. Abgesehen von den elektrotechnischen Problemen, die sich durch die vermehrte dezentrale Einspeisung ergeben, mutet die Dezentralisierung wirklich als Schritt zu einer auch im Konfliktfall sicheren Energieversorgung an. Früher hing die Energieversorgung an einigen wenigen großen Kraftwerken. Wurden die im Konfliktfall bombardiert und zerstört, hatte man ein Problem. Zukünftig, so könnte man sich vorstellen, müsste man nun tausende Windkrafträder umknicken, um den gleichen Effekt zu erreichen – praktisch unmöglich. Oder doch nicht?

Offshore-Windparks: ungeschützt und angreifbar


Windkraft lässt sich auf See besser nutzen als an Land. Entsprechend sind die Windkraftanlagen, die fern der Küste, also „off shore“ entstehen große Hoffnungsträger der Energiewende. Doch wie verwundbar sind sie? Schiffe, besonders Segler, geraten schon jetzt aus Versehen in die Windparks. Die Verirrten müssen äußerst vorsichtig manövrieren, um eine Kollision mit den Stahlpfeilern zu vermeiden, die so dick sind, wie ihr Segelschiff lang ist. Aber was, wenn eine Kollision absichtlich geschieht? Mit einem alten Kutter voller Sprengstoff? Die Schifffahrtswege der Nordsee sind nur ein paar Minuten entfernt von den Anlagen. Schnell kann ein Schiff aus dem Berufsverkehr ausscheren. Zum nächsten Windpark sind es nur ein paar Minuten. Ein solchermaßen entschlossenes Schiff ist praktisch nicht zu stoppen.

Die geplanten und gebauten Offshore-Windparks in der deutschen AWZ, Quelle: BSH

Im Zeitalter der Holzschiffe hatten die vor Anker liegenden Kapitäne der Korvetten, Fregatten oder Linienschiffen vor einem Angriff besonders Angst: den Brandern. Brander waren für den Angreifer eine äußerst billige und effektive Waffe. Brander waren kleine Beiboote, die von den Angreifern mit Brennmaterial oder Sprengstoff beladen wurden. Sie wurden von einem oder zwei Mann auf Kurs gebracht. Ruder und Segel wurden festgestellt. Die Männer zündeten das kleine Boot an und gingen von Bord. Das Schiff fuhr jetzt lichterloh brennend auf eine in einer Bucht festgemachten Flotte feindlicher Schiffe zu. Eine gewisse Anzahl solcher Brander konnte verheerend sein für die unbeweglich da liegende Flotte aus Holzschiffen. Ein ähnliches Szenario könnte man sich in einem Windpark vorstellen: Kleine, billige Boote, mit Sprengstoff beladen und unbemannt, fahren in den Park und explodieren.

Im Zeitalter der Holzschiffe beugte man Brander-Angriffen vor, in dem man die Bucht oder den Hafen mit Tauen abspannte. Auf diese Weise erschwerte man die Annäherung. Wie aber soll das mitten in der Nordsee aussehen? Die Windparks sind zu allen Seiten offen, sie haben keinen schmalen Flaschenhals, wie so viele Häfen, den man versperren könnte. Die Schifffahrtsrouten in der Ostsee durchschneiden die Windparks. Wer nicht genau auf seinen Kurs achtet, landet schon aus Versehen mitten in einem Wald aus Stahlriesen und muss sehen, wie er da unbeschadet wieder herausfindet.

Es ist also für eine entschlossene feindliche Macht sehr leicht, in die Windparks zu kommen. Per Definition liegen Offshore-Anlagen fern ab der Küste, weit jenseits der 12-Meilen-Zone. Sie sind daher militärisch schwer zu schützen, aber leicht zu attackieren.

Billige Schläge ohne Zivilisten zu gefährden


Wenn sich nun eine feindliche Macht für einen Angriff entschließt, wie könnte sie den maximalen Schaden erzielen? Ein explodierendes Boot aufs Geratewohl in ein Windpark zu schicken, wäre nicht effizient. Die Windräder stehen um die 500 Meter weit auseinander. Die Explosion könnte ein oder zwei Windräder zerstören, die Wrackteile könnten im Umkreis vielleicht drei bis vier weitere beschädigen. Aber so ein Windpark hat meist um die 80 Windkrafträder. Ein Boot mit Sprengstoff gegen die Windkrafträder selbst zu schicken, ist also nicht effizient.

Ein effizienterer Angriff wäre ein Anschlag auf eine der Umspannplattformen und Netzanbindungsstellen, sozusagen die Knotenpunkte eines Windparks. Diese Plattformen sind weithin als solche erkennbar. Ihre Koordinaten sind aus Gründen der Verkehrssicherheit öffentlich zugänglich. Ein „Brander“ mit GPS könnte im Autopilot leicht zu einer entsprechenden Position gebracht werden. Oder ein feindliches Kriegsschiff könnte, in der Nordsee liegend, die Knotenpunkte unter Beschuss nehmen. Denkbar wäre auch eine Unterbrechung der Seekabel am Meeresgrund, etwa durch Taucher.

Konverterplattform, Quelle: Offshore-Stiftung

Das Ausschalten der Offshore-Anlagen würde Deutschland einer Energiequelle berauben. Und anders als die Bombardierung eines konventionellen Kohlekraftwerks oder gar eines Atomkraftwerks, gäbe es höchstwahrscheinlich keine zivilen Opfer zu beklagen, wenn nicht gerade eine Wartungsmannschaft im Schussfeld steht. Eine feindliche Macht könnte, ohne Zivilisten zu töten, eine Energiequelle ausschalten. Das senkt die moralischen und politischen Kosten in einem Konflikt. Schnell ist ein Teil der Stromerzeugung Deutschlands ausgeschaltet, ohne dass ein Deutscher sein Leben lassen musste. Das macht einen Angriff auf die Offshore-Anlage zu einem geeigneten Druckmittel in einem sich verschärfenden, aber noch nicht gewaltvollen Konflikt.

Doch wie weh würde Deutschland ein solcher Angriff auf die Offshore-Anlagen tun? Welchen Schaden könnte solch ein Angriff ausrichten, abgesehen vom wirtschaftlichen Schaden? Wie groß wäre die Einbuße an Stromerzeugungskapazitäten? Den zweiten Teil der Überlegung finden Sie hier an gleicher Stelle, zur gleichen Zeit, am Freitag, den 12.12.!

Tim Bergmann studiert im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit Schwerpunkt auf Sicherheitspolitik. Zuvor studierte er Politikwissenschaft und Geschichte in Dresden.