Auch wenn den Vereinigten Staaten ihre alleinige Seeherrschaft allmählich streitig gemacht wird und mit dem Aufstieg Chinas vom Anbruch des pazifischen Jahrhunderts gesprochen werden kann, sind die USA weiterhin eine Ordnungsmacht der Weltmeere. Seit Mitte der neunziger Jahre ist einer der Kernbestandteile der US-Politik im Südchinesischen Meer die Einhaltung des internationalen Rechts und insbesondere die Wahrung der Prinzipien des Seerechtsübereinkommens (UNCLOS). Das hört sich sehr vernünftig an, denn mit mittlerweile 166 Vertragsstaaten sollte man auch im Südchinesischen Meer nicht umhinkommen UNCLOS zu beachten. Wenn man sich die Liste der Vertragsparteien des Seerechtsübereinkommens anschaut, fühlt man sich bestätigt: alle Anrainerstaaten des Südchinesischen Meeres gehören dazu. Man kann sogar einen Schritt weitergehen und das Ostchinesische Meer, das heutzutage aufgrund von Inselstreitigkeiten zunehmend in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückt, unter die Lupe nehmen. Auch hier wurde UNCLOS von nahezu allen betroffenen Staaten ratifiziert. Doch ausgerechnet die USA, die die Wahrung der Vorgaben des Seerechtsübereinkommens fordern, sind nicht auf der Liste der Vertragsparteien vorzufinden. Doch was hielt und hält die USA bis heute davon ab der Konvention beizutreten und welche Vor- und Nachteile könnten den Vereinigten Staaten aus einer Ratifikation erwachsen?
Mehrere Anläufe zur Ratifikation
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Die ursprüngliche Haupstorge der USA: eine Internationale Meeresbodenbehörde zur Umverteilung maritimer Ressourcen (Quelle:http://commons.wikimedia.org/) |
Bereits gegen Ende der
Vertragsverhandlungen zum Seerechtsübereinkommen zeichnete sich ab, dass die
Vereinigten Staaten der Konvention in ihrer damaligen Form nicht zustimmen
werden. Während der Großteil des Vertragstexts auf Völkergewohnheitsrecht fußt
und folglich auch in den USA Akzeptanz findet, stießen die UNCLOS-Bestimmungen
zum Tiefseebergbau auf Ablehnung. Inakzeptabel für die USA waren die Vorgaben
zur Umverteilung der Gewinne aus dem Tiefseebergbau, die sich aus dem Status
des Tiefseebodens als gemeinsames Erbe der Menschheit ableiten lassen. „The
United States is deeply concerned about the grave dangers of legitimizing this
socialist concept by signing the LOS Treaty.” Dass diese Redistribution der
maritimen Ressourcen durch eine internationale Behörde als „inefficient international
bureaucracy“
erfolgen sollte, sorgte für weiteren Unmut. Den fundamentalen Sorgen der USA
begegnete man 1994 durch Vertragsänderungen. Diese veranlassten viele
Industriestaaten, die ihre Zustimmung bisher aus ähnlichen Erwägungen verweigert
hatten, zur Ratifikation von UNCLOS. Noch im selben Jahr legte Präsident Clinton
die Konvention dem Senat vor. Trotz mehrerer Kongressanhörungen und der Empfehlung
des Auswärtigen Ausschusses des Senats scheiterte das Vorhaben. Seither wurden
sowohl unter der Bush- als auch unter der Obama-Administration mehrere Anläufe unternommen, dem
Seerechtsübereinkommen beizutreten. Obwohl es eine parteiübergreifende
Unterstützung für das Vorhaben gibt, ist UNCLOS seit genau zwei Jahrzehnten vor
dem Senat anhängig. Zuletzt wurde die Debatte 2012 wieder aufgegriffen,
allerdings ohne Erfolg. Doch welche Einwände werden von den heutigen UNCLOS-Gegnern
hervorgebracht, wenn die ursprünglichen Bedenken gegen die Konvention bereits durch
die 1994-er Vertragsänderungen zerstreut wurden?
Vorteile und (vermeintliche)
Nachteile eines UNCLOS-Beitritts
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Auch die U.S. Marine befürwortet den Beitritt zu UNCLOS (Quelle:http://commons.wikimedia.org/) |
Bis heute wird gerne und oft der potentielle Souveränitätsverlust heraufbeschworen, den die USA
aufgrund der weitreichenden Kompetenzen der Internationalen Meeresbodenbehörde
(ISA) erleiden würden. Dieser Einwand wird durch die 1994-er Vertragsänderung
entkräftet, die den USA im Falle einer Ratifikation eine Vetoposition bei der
ISA zusichert. Diese Diskussion dreht sich streng genommen gar nicht um das Vertragsregime von UNCLOS, sondern
widerspiegelt eher eine generelle Debatte in den USA, die zwischen den Souveränitätsanhängern und den Internationalisten geführt wird. Nach dem zweiten, etwas nebulösen
Argument sollten die USA dem Seerechtsübereinkommen fernbleiben, da sie sich
ungewollt an die in den vergangenen Jahren von China betriebene Interpretation
des Übereinkommens
binden würden. Jeder, der etwas von Völkergewohnheitsrecht versteht, wird
wissen, dass eine einseitige Auslegung allein, ohne eine gängige Staatenpraxis
und einer zusätzlichen Rechtsüberzeugung nichts bewirken kann. Selbst wenn dem
so wäre, könnten die USA außerhalb des Konventionsrahmens herzlich wenig
dagegen unternehmen. Abgesehen davon, dass die geäußerten Bedenken unbegründet
zu sein scheinen, verkennen die UNCLOS-Gegner die wirtschaftlichen und
sicherheitspolitischen Vorteile eines Beitritts zur Konvention. Zwar beteuern sie, dass
der Ressourcenabbau sowohl am erweiterten Festlandsockel als auch auf dem
Tiefseeboden ohne UNCLOS-Beitritt möglich sei. Diese vermeintlichen Chancen werden
jedoch aufgrund eines unsicheren Investitionsklimas nicht genutzt. Doch nicht nur die
Wirtschaft beklagt bestehende Rechtsunsicherheiten, auch die Marine fordert aus
denselben Gründen den Beitritt zur Konvention. Dieser Beitritt liegt gemäß dem
Auswärtigen Ausschuss des Senats sogar „profoundly in the national
interest“. In
einem Sonderbericht des US-amerikanischen Think Tanks
Council on Foreign Relations wird en Detail ausgeführt, warum diese Aussage
durchaus der Realität entspricht. Auf der Hand liegt, dass die Forderung nach
multilateralen Lösungsansätzen im pazifischen Raum, um die chinesische
Seeherrschaft in Balance zu halten, durch das unilaterale Handeln der USA untergraben wird. Fakt ist des
Weiteren, dass durch das Fernbleiben von UNCLOS die ohnehin brüchige Führungsrolle der USA im Pazifik von ihren Alliierten
und strategischen Partnern noch stärker angezweifelt wird.
Dóra Simon ist Studentin im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel mit den Schwerpunkten Europäische Integration sowie Völkerstrafrecht.