Dienstag, 9. Dezember 2014

Wir müssen über Gefühle reden.

"Meer.Für.Dich" - Ein ansprechender Auftritt?


Mit den Deutschen und ihrer Bundeswehr ist das immer so eine Sache. Die gegenüber Streitkräften grundsätzlich kritische Haltung ergibt sich aus der Deutschen Geschichte und mag nachvollziehbar erscheinen. Dennoch stellt sich die Frage, warum sie sich so schwer tun, die Deutschen, mit ihrer Parlamentsarmee, die als Ausdruck einer wehrhaften Demokratie auch im 21. Jahrhundert zur Wahrung des Friedens eingesetzt wird. Oder begründet sich das fortlaufend kritische, öffentliche Bild der Bundeswehr auch ein Stück weit damit, wie sich die Streitkräfte der Öffentlichkeit selbst präsentieren?

Tue Gutes und rede darüber

Tue Gutes und rede darüber. Was im PR- und Werbegeschäft gilt, gilt grundsätzlich auch für Streitkräfte. Der Wert zielgruppenorientierter Kommunikation kann im digitalen Zeitalter nicht oft genug betont werden. Gerade, wenn ein Arbeitgeber wie die Bundeswehr sich nicht zuletzt auch durch die Wehrpflichtsreform strukturell tiefgreifenden Einschnitten gegenüber sieht. Erst kürzlich betonte Dr. Jann-Markus Witt vom Deutschen Marinebund gegenüber Studenten der CAU-Kiel, dass mit dem Aussetzen der Wehrpflicht die Qualität derjenigen, die sich letzten Endes für eine Offizierlaufbahn entschieden, deutlich zurückgegangen sei. „Nimm was du kriegen kannst“, als Rekrutierungsmaxime für die nationale Sicherheit? Mitnichten. Grund genug daher, einmal genauer hinzusehen, wie es um die Öffentlichkeitsarbeit der Deutschen Streitkräfte allgemein, und um die der Deutschen Marine insbesondere bestellt ist.

Gefällt mir nicht.

Wer von zielgruppenorientierter Kommunikation spricht, kommt gerade im Bezug auf die Generierung von Nachwuchs an Facebook als Kommunikationsmedium nicht vorbei. Das soziale Netzwerk hat sich längst als feste Größe innerhalb der Außendarstellung von öffentlichen Akteuren etabliert. Von den 27, 39 Millionen Deutschen Facebook-Nutzern zählen laut einer Erhebung des Statistikportals „Statista“ von 2014 rund 35,8% zur für die Bundeswehr relevanten Zielgruppe der unter 25-Jährigen. Das macht immerhin gut 9,8 Millionen potentielle Rekrutinnen und Rekruten für Bundeswehr und damit auch für die Marine. Neunmillionenachthundertausend ist eine große Zahl, welche exemplarisch die Relevanz des Mediums Facebook verdeutlicht. Ein Umstand, dem sich auch die Bundeswehr nicht verschließen kann. „Fun Fact“ in diesem Zusammenhang: Der aktuelle Jahresbericht der Jugendoffiziere, der mit dem Statement „Jugendoffiziere sind wichtige Träger der Öffentlichkeitsarbeit“ eingeleitet wird, enthält genau einen (in Zahlen 1) inhaltlichen Verweis auf soziale Netze. Facebook kommt inhaltlich somit für die Bundeswehr nicht vor.

Wir. Dienen. Deutschland.

Darum lohnt ein genauerer Blick in besagtes Portal, um sich ein Bild der entsprechenden Facebook-Seite der Bundeswehr bzw. der Marine zu machen. Am heutigen Tag, den 09.12.2014 um 12:00 Uhr haben die Seite der Bundeswehr 313.098 Menschen mit „Gefällt mir“ markiert, sprich „geliked“, das ist ein veritabler Wert. In diesem Zusammenhang wichtig ist der Verweis darauf, dass es sich bei der Bundeswehr-Seite um eine aktiv verwaltete, d.h. mit tagesaktuellen Inhalten gepflegte Seite handelt, wie sie auch von Unternehmen oder anderen Akteuren des öffentlichen Lebens geführt wird. Sie bietet eine quasi barrierefreie Kommunikation zwischen Sender und Empfänger. Die Seite der Deutschen Marine hingegen hat zur selben Zeit 14.216 „likes“ und ist im Gegensatz zur Bundeswehr-Seite nicht aktiv geführt. Bis auf einen kurzen Informationstext à la Wikipedia und einem Bild des Eisernen Kreuzes ist hier nicht viel los.

Bananen-Republik?

Wer daraus folgert, die Marine würde nichts für ihre öffentliche Wahrnehmung tun, der irrt. Im Juli letzten Jahres wurde ein Video mit dem unbeholfen wirkenden Titel „Marine Trailer Bananen  (das Ding heißt wirklich so) auf dem Videoportal „Youtube“ online gestellt. Dort zu sehen gibt es neben einigen Binsenwahrheiten und Schüssen ins leere wenig werbewirksames. Unterlegt mit einem billigen Midi-Sample beschleicht den Betrachter beim Genuss dieser PR-Maßnahme ein eher merkwürdiges Gefühl zwischen Verwunderung und Ärger. Ist das die Art und Weise, wie sich die Marine im 21. Jahrhundert präsentieren möchte? Die Kosten für Werbemaßnahmen der Bundeswehr, wie etwa das Handelsblatt berichtete, haben sich zwischen 2011 und 2012 mehr als verdoppelt. Aus dem jährlichen Werbeetat von über 20 Millionen Euro wurde unter Anderem die Anschaffung eines Info-Trucks finanziert, der sich nun auf Provinzjahrmärkten ein Stelldichein mit Autoscooter, Zuckerwatte und co. gibt. Mehr als „Marine Trailer Bananen“ war da nicht drin, liebe Marine?

Subjektiv fragwürdig, objektiv im Soll?

Das Problem mit Formulierungen wie den hier getätigten ist stets, dass eine intersubjektive Überprüfbarkeit ob des subjektiven Empfindens von künstlerischen Maßnahmen nicht wirklich gegeben ist. Oder zu Deutsch: Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. An dieser Stelle hilft eine empirische Analyse, welche die Performance von Facebook-Likes europäischer Marinen unter der Berücksichtigung relevanter, unabhängiger Variablen wie Streitkräfteumfang, Population, Rüstungsausgaben und Küstenlinienlänge berücksichtigt. Eine Dummy-Variable kontrolliert für den Effekt aktiver oder passiver Seitenadministration. Die Ergebnisse der "Ordinary Least Squares" (OLS) Regression sind der nachfolgenden Tabelle zu entnehmen.

Ergebnis der OLS-Regression 

Es lässt sich festhalten, dass einzig die Variablen NAVFOR (Truppenstärke der Teilstreitkraft Marine), TROOP (Truppenstärke absolut) und EXPEND (Staatsausgaben für Verteidigung) einen signifikanten Beitrag zur Aussagekraft des Modells leisten. Mit einem R² von 0.79838 erklärt das vorliegende Modell - so die Theorie - 79% der vorhandenen Varianz. Interessant ist auch, dass die Dummy-Variable NAV_ACTIVE (Aktive/Passive Seitenführung) nicht signifikant ist. Das in Facebook-Likes gemessene Interesse an europäischen Marinen scheint folglich also mehr über die relative und absolute Truppenstärke, als auch über die Staatsausgaben für Streitkräfte zu entstehen, als über eine aktiv oder passiv geführte Seite. Schande über mein Haupt. Also doch alles gar nicht so schlimm?

Was will die Bundeswehr?

Mitnichten. Das vorliegende Modell kann keinen Anspruch auf umfassende Aussagekraft erheben. Die Datendichte ist eigentlich zu gering, um eine handfeste Schlussfolgerung ziehen zu können. Dennoch führt eine Analyse der entsprechenden Daten exemplarisch vor Augen, dass das Verhältnis empirischer Werte wie Truppenstärke, Rüstungsausgaben und Social Media Aktivität starken Schwankungen unterworfen ist. Im Europäischen Vergleich sticht das altbackene Erscheinungsbild des öffentlichen Auftritts der Bundeswehr / Marine dennoch hervor, Subjektivität hin oder her. Die abschließende Frage muss also lauten: Was will die Bundeswehr mir ihrer Öffentlichkeitsarbeit erreichen? Glaubt man an die Ausdruckskraft von nach Außen gerichteter Kommunikation, so ist die Bundeswehr meilenweit von dem entfernt, was Ministerin von der Leyen öffentlich proklamiert, nämlich ein Arbeitgeber auf der Höhe der Zeit zu sein. Aber auch das ist natürlich Gefühlssache. 

Die Royal Navy macht's vor. "Protecting Our Nations Interest's" statt "Meer.Für.Dich"



Bendix Hügelmann, B.A., ist Student im Masterstudiengang "Internationale Politik und Internationales Recht" an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, sowie Mitarbeiter am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Seine Studien- und Forschungsschwerpunkte bilden  politische Ökonomie, Globalisierungs- und Nachhaltigkeitsstudien sowie Seerecht und Maritime Sicherheit. 


1 Kommentar:

  1. Ebenfalls lesenswert: Thomas Wiegolds Beitrag zum Journalismus, Militär und Krieg im digitalen Zeitalter, genauso wie www.bendler-blog.de, ein Blog zur sicherheitspolitischen Kommunikation.

    http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/!ut/p/c4/bY4xD4IwFIR_ES04iRuExDiqg-JCSnmWF0ofaR-w-ONtBzfvklvuvuTkS0Y7taFRjOSUlU_Zajz1u-jnzYiAegQ_AnJYyCLjJJQz0BOD8KAG8N2fySEzEMDaoEf1ZpsGGTjeUU92jbgTBBM5mjEkttuVG8DKRzozgNDkgFNyhDCm8YrJi4U829Ss3sdG4CDbvGjqvMh_Kj7l_dxcq7I4Npf6Jpd5rr6RN7Fj/

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