Sonntag, 14. Dezember 2014

Neue Meeresbewohner: Plastikteilchen – eine Bedrohung der besonderen Art?



The Great Pacific Garbage Patch“ – ein irreführend verniedlichender Ausdruck. Bei Millionen Tonnen Kunststoffmüll - einem gigantischen Müllteppich der nach Expertenmeinungen  mittlerweile schon die Größe ganz Indiens erreicht habe, lässt sich wohl kaum noch von einem „patch“ – Fleck sprechen, schon eher von einem neuen Kontinent.

Im Juni 1997 entdeckte der Skipper Charles J. Moore auf der Rückreise von einer Segelregatta mit seiner Crew diesen pazifischen Müllstrudel, mehr als eine Woche segelten sie durch schier endlose Massen von Zivilisationsmüll. Seit diesem Tag sind nunmehr über 17 Jahre vergangen und dieses Zeugnis eines überbordenden Kapitalismus schwillt immer weiter an. 


Das deutsche Bundesumweltamt gibt an, dass nur etwa 15% der Plastikteile im Meer an der Oberfläche schwimmen, 70% sinken auf den Meeresboden und der Rest wird an die Strände gespült. Es handelt sich bei dem Oberflächenplastik also nur um die sprichwörtliche Spitze des Eisberges.


Da sich dieser neu entstandene Kontinent in Gewässern befindet, die weder für die Schifffahrt, noch für den Tourismus besonders interessant zu sein scheinen, wird die Bedrohung die von ihm ausgehen könnte auch nur beiläufig wahrgenommen und bleibt bis jetzt weitgehend ignoriert. 
Quelle: pixelio.de  


Welche Gefahren können sich aber aus der Belastung des Meeres mit Plastik ergeben?

Zum einen ergeben sich natürlich negative Auswirkungen auf die maritime Lebenswelt. Tiere bleiben in größeren Plastikresten hängen und verletzten sich. Seevogel, Wale und Delfine fressen die an der Oberfläche schwimmenden Plastikreste und, da diese unverdaut bleiben, verhungern sie schlimmstenfalls durch mit Plastik gefüllte Mägen. Wissenschaftler der Universität Kiel (Forschungs- und Technologiezentrum Westküste, FTZ) führten von 2007 bis 2011 eine Untersuchung durch, bei der Sie versuchten, die Plastikbelastung von Seevögeln zu erfassen. Sie mussten feststellen, dass 96% der von ihnen untersuchten Tiere Plastik in kleineren, oder auch größeren Mengen gefressen hatten.
Durch die stetige Wellenbewegungen und die dauerhafte UV-Bestrahlung, der die Plastikpartikel an der Meeresoberfläche ausgesetzt sind werden sie zu einer immer feineren Substanz. Diese wird ab einem gewissen Grad der Verfeinerung vermehrt von verschiedenen Meereslebewesen mit der Nahrung aufgenommen. Größere Teile werden von Walen, Fischen und Seevögeln mit Nahrung verwechselt. Ist das Plastik aber bereits so fein, dass selbst Plankton zu seinen Konsumenten gehört ist es am unteren Ende der Nahrungskette, auch unserer Nahrungskette, angekommen. 

An den aufgenommenen Stoffen lagern giftige Substanzen wie etwa krebsauslösende organische Chlorverbindungen oder auch Insektizide, auch bekannt unter DDT an. Wer sich jemals in die Tropen begeben hat kennt DDT vor allem in Form des aggressivsten auf dem Markt erhältlichen Mückenschutzmittels im Kampf gegen Malaria. Man sprüht sich diese Substanz schon sehr ungern auf seine, darauf mit juckender Röte reagierende Haut, als Nahrungsmittel kann und will man es sich nun wirklich nicht vorstellen.
Über das Plankton gelangen diese Stoffe langfristig in maritime Nahrungsketten und somit beim Verzehr entsprechender Produkte natürlich auch in unsere Körper.
Welche Wirkungen kann dies für den Organismus nach sich ziehen?
DDT und seinen Abfallprodukten zeigen hormonähnliche Wirkungen. So wurde festgestellt, dass Greifvögel, die dieses Mittel eingenommen hatten Eier mit sehr viel dünneren Schalen legten – dies führte zu massiven Bestandseinbrüchen. Bei Menschen stehen die Substanzen zumindest im Verdacht Krebs auszulösen.

Wie gelangen solche Stoffe in unsere Meere?

Organische Chlorverbindungen, hierunter Polychlorierte Biphenyle, wurden jahrelang als Weichmacher verwendet. Sie wurden durch die Stockholmer Konvention von 2001 weltweit verboten – zu spät, sie haben sich bereits weltweit ausgebreitet. In unseren Böden,  in der Atmosphäre und eben auch in unseren Gewässern.
DDT wird schon seit längerem nur noch zum Schutz vor Malaria verwendet. Bis in die 1970er wurde es aber weltweit in der Landwirtschaft benutzt, mittlerweile ist es nur noch in einzelnen Ländern in Benutzung, etwa in Indien und Nordkorea.
Der menschliche Konsum befördert die Agglomeration von Plastik in den Meeren in erschreckendem Ausmaß. Nicht nur über den massenhaft entstehenden Verpackungsmüll, man denke nur an Million von Plastiktüten und PET-Wasserflaschen. Auch synthetische Kleidungsmaterialien, durch die Verwendung von Pflegeprodukten, die meist kleinste Kunststoffteilchen enthalten und von Waschsubstanzen die in riesigem Ausmaß Mikroplastik enthalten tragen zu der Verschlimmerung des Problems bei.
Wissenschaftler fanden heraus, dass bei nur einem einzigen Waschmaschinengang bereits bis zu 1900 feinste Plastikteilchen nachgewiesen werden können.
Warum wird hier nicht gehandelt?
Noch bis in die 1980er Jahre wurde tatsächlich davon ausgegangen, dass die Anhäufung von Plastikteilchen in den Meeren weitegehend unproblematisch sei.
Diese Meinung wurde mittlerweile natürlich revidiert.
Selbstverständlich ist das Ableiten von Plastikmüll in Gewässer verboten.  Wobei er von europäischer Seite aus erst in der „Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie“  als ernstzunehmende Umweltgefahr erfasst wurde.
Das Abladen und fachgerechte Entsorgen von Müll muss zudem in allen Häfen kostenfrei ermöglicht werden. Was aber auf offenem Meer geschieht ist nicht nur schwer kontrollierbar, sondern auch quasi unsanktionierbar. 

Mittlerweile werden auch recht ungewöhnliche Wege eingeschlagen um das Problem anzugehen: So hat zum Beispiel die NGO „Green-Ocean“ 2006 damit begonnen Fischern den Plastikmüll, den sie über ihre Netze ungewollt mit eingefangen haben, abzukaufen. Ein weiteres Projekt verspricht zumindest kleine Erfolge: ein niederländischer Student hat eine Konstruktion entwickelt, die in der Lage sein soll den Abfall von der Meeresoberfläche fischen. Über eine „Crowdfundig“-Initiative versucht er nun im Internet genügend Gelder zum Bau eines Prototyps einzusammeln und so sein Projekt zu realisieren.

Crowdfunding“? Ist es bei so einem gravierenden Problem wirklich nötig, diesen häufig langwierigen Weg zu gehen und zivilgesellschaftlich Gelder zu sammeln um das Problem tatsächlich lösungsorientiert anzugehen? Ein Problembewusstsein bei politischen Entscheidungsträgern scheint wohl weiter auf sich warten zu lassen..




Quelle:  The Ocean Cleanup


 K.Busch ist Studentin im Masterstudiengang Politikwissenschaft (Modernes Regieren) und International Vergleichende Soziologie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.